Rede · 15.12.2000 Schule und Jugendhilfe sollen mehr zusammen arbeiten

In den letzten Wochen und Monaten haben wir in Verbindung mit einer Reihe von sozialen Problemen festgestellt, dass nur durch eine bessere Verzahnung von Schule und Jugendhilfe die effektive Bearbeitung von bestimmten Problemen möglich ist. Sei es nun der Rechtsextremismus, das verhältnismäßig geringere Problem des Schuleschwänzens oder Probleme der Migrantenkinder: Nur wenn Pädagogen und Sozialpädagogen gemeinsam vorgehen, lassen sich bestimmte Probleme der Kinder und Jugendlichen erfolgversprechend angehen.

Bisher war Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe vor allem dann indiziert, wenn es um die Lösung konkreter Probleme bei konkreten Jugendlichen ging. Die Kooperation von Schule und Jugendhilfe ist mit anderen Worten lange einzelfallbezogen gewesen. Noch 1996 hat die damalige Bildungsministerin Empfehlungen für die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe herausgegeben, die ausschließlich auf ein gemeinsames Vorgehen im Umgang mit konkreten Personen Bezug nimmt. Über vorbeugende Kooperationsprojekte, die nicht von vornherein auf bestimmte Individuen abzielen, wird dort noch kein Wort verloren.

Nun ist es aber weder sinnvoll noch besonders erfolgversprechend, wenn Lehrer und Sozialpädagogen erst eingreifen, wenn massive Probleme bei Kindern und Jugendlichen bereits vorhanden sind. Daher ist in den letzten Jahren die Einsicht gewachsen, dass man gemeinsam sehr früh tätig werden muss.

Wie der Antrag ganz richtig feststellt, lässt sich durch eine solche Zusammenarbeit viel besser und ganzheitlicher präventiv arbeiten. Dabei sollen Schule und Jugendhilfe einander nicht ersetzen, aber mit Vorteil ergänzen. Damit lassen sich Aufgaben bewältigen, die beide jede für sich nicht erledigen können.

In den letzten Jahren sind in Schleswig-Holstein eine ganze Reihe solcher Projekte eingerichtet worden, in denen die Zusammenarbeit von Jugendhilfe bereits gelebt wird. In Flensburg zum Beispiel hat man in sozialen Brennpunkten diese Zusammenarbeit suchen müssen, um Probleme der Schülerinnen und Schüler anzugehen. Dabei hat sich gezeigt, dass man gleichzeitig anstreben kann, die Probleme von Gruppen zu bearbeiten bzw. zu vermeiden, und gleichzeitig auch die einzelfallbezogene Hilfe verbessern kann. Lehrerinnen und Lehrer erkennen früh die Probleme und können Betreuung und Hilfe auch außerhalb der Schulzeit veranlassen Die Rückmeldung aus diesen Projekten ist positiv.

Wir können deshalb nur begrüßen, wenn jetzt vorgeschlagen wird, diese Projekte zu evaluieren, Qualitätskriterien zu entwickeln und die Kooperation von Schule und Jugendhilfe auf ein rechtlich, finanziell und organisatorisch solides Fundament zu stellen. Auch die Idee eines Handlungsleitfadens ist gut. So können die bisherigen Erfahrungen aufgegriffen werden, und eine wertvolle Basis für neue und bestehende Projekte bilden. Es sagt sich selbst, dass die Initiierung und Umsetzung solcher Projekte wesentlich erleichtert wird, wenn man nicht selbst den Stein der Weisen finden muss.

Es gibt in dem vorliegenden Antrag allerdings auch Punkte, die wir skeptisch sehen, und die diskutiert werden müssen. Dazu gehören vor allem Fragen der Ressourcenverteilung. Die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe ist ein neuer Aspekt, der die bisherige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ergänzt. Es kann nicht darum gehen, Mittel vom einen in den anderen Bereich umzuverteilen. Die originären Aufgaben der Schulen und der Jugendhilfe bleiben erhalten; beide Bereiche bekommen nur zusätzliche Aufgaben. Deshalb sehen wir es kritisch, dass überprüft werden soll, inwieweit Stundenkontingente der Schulen in sozialpädagogische Anteile umgewidmet werden können. Dieses gilt umso mehr, als beide Seiten in der einleitenden Phase zusätzliche Zeit brauchen werden, um die Kooperation vorzubereiten und umzusetzen.

Sicherlich können wir alle hoffen, dass sich durch die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe auch neue Energien entfalten lassen, so dass der zusätzlich Ressourcenaufwand begrenzt werden kann. Es wäre aber blauäugig zu glauben, dass sich solche Synergieeffekte schnell erzielen lassen. Wir müssen uns vorerst darauf einstellen, dass mehr Qualität nicht ohne mehr Mitteleinsatz zu erreichen ist. Jetzt den Beteiligten neue Aufgaben aufzuerlegen, ohne dem auch eine materielle Unterstützung folgen zu lassen, wird kaum zum Erfolg führen.

Dass gerade die finanzielle Abgrenzung ein Stolperstein ist, davon zeugen auch die bisherigen Erfahrungen aus den Projekten. Es gibt Koordinierungsprobleme, aber das ist nur natürlich, wenn zwei gewachsene, selbständige Bereiche plötzlich zusammen arbeiten müssen. Trotz aller Kooperationsbemühungen ist deshalb eine klare Abgrenzung der Kompetenzen und Finanzmittel erforderlich. Wenn dieses nicht frühzeitig erledigt wird, treten Konflikte auf, die der Zusammenarbeit sicherlich nicht dienlich sind. Wir haben es hier trotz allem mit unterschiedlichen Interessenlagen zu tun, die sich nicht einfach unter einen Hut bringen lassen. Die Strukturen müssen daher von vornherein so eingerichtet werden, dass schädliche Interessenkonflikte nicht auftreten können.

Trotz dieser Bedenken in Bezug auf konkrete Punkte des Antrages sind wir aber der Überzeugung, dass die Grundlagen des Antrages richtig sind. Durch eine verbesserte Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe können pädagogische Leistungen erbracht werden, die bei der bisherigen traditionellen Trennung nicht erreichbar sind. Diese Leistungen gehen weit über die im ursprünglichen CDU-Änderungsantrag genannten Betreuungsleistungen hinaus. Es geht hier darum, einen aktiven Beitrag zur Vorbeugung und zur frühzeitigen pädagogischen Intervention in soziale Probleme zu leisten. Ich freie mich deshalb, dass dieser Aspekt jetzt von allen Fraktionen im gemeinsamen Antrag anerkannt wird.

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