Rede · 27.04.2005 Sicherung der parlamentarischen Rechte der Opposition

Es ist kein Geheimnis, dass der SSW einer Großen Koalition skeptisch gegen übersteht. Denn keiner kann erwarten, dass wir inhaltlich nicht mehr zu dem stehen, was in der Tolerierungsabsprache von SSW, SPD und Bündnis90/Grünen vereinbart war. Daraus folgt logischerweise, dass wir nicht mit allen Vereinbarungen des Koalitionsvertrags von CDU und SPD einverstanden sind.

Ein weiterer Punkt, warum die Bildung einer Großen Koalition uns nicht begeistert, ist Thema dieser Debatte. Denn eine so dominante Große Koalition mit 59 von 69 Abgeordneten bringt aus parlamentarischer Sicht einige Probleme mit sich. Die Landesverfassung und auch die Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages ist mit ihren Mitwirkungs- und Kontrollrechten für die Opposition im Grunde nicht für die Situation einer Großen Koalition konzipiert worden. In vielen Fällen z.B. bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der Anwesenheitspflicht der Mitglieder der Landesregierung oder bei der Einberufung einer Sondersitzung des Landtages sind die Minderheitenrechte der Antragssteller an ein Quorum von mindestens einem Viertel der Abgeordneten oder 18 Abgeordneten geknüpft.

Die heutige Opposition von FDP, den Grünen und SSW kommt aber gerade mal auf 10 Abgeordnete. Dabei sind die Minderheitenrechte der Opposition ein sehr wichtiger Teil der parlamentarischen Demokratie. Denn gerade die Fraktionen, die nicht die Regierung mittragen, haben ja die besondere Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren. Wenn man diese Minderheitenrechte nicht wahrnehmen kann, wird die Kontrollfunktion der Opposition erschwert.

Diese Situation hat man auch in anderen Bundesländern, wo eine Große Koalition regiert, vorgefunden und entsprechende Lösungen erarbeitet. Dabei fällt insbesondere die so genannte Bremer Erklärung zu den Minderheitenrechten der Opposition in Zusammen­hang mit der Bildung der Großen Koalition in Bremen von 1999 ins Auge. Hier hat man jenseits einer Verfassungs­änderung die Kontroll- und Mitwirkungsrechte der Opposition gesichert. Der SSW ist der Meinung, dass dieses auch für Schleswig-Holstein der richtige Weg ist. Denn mit einer Änderung der Landesverfassung sollten wir immer vorsichtig sein und im Grunde sagen selbst die Vorsitzenden der beiden Volksparteien, dass es sich um eine Notkoalition für eine Übergangsphase handelt. Das heißt eine mögliche Verfassungsänderung in dieser Frage könnte schon nach der nächsten Landtagswahl überflüssig sein.

Der SSW begrüßt daher, dass CDU und SPD sich schon in ihrer Koalitionsabsprache an der Bremer Erklärung orientiert haben. Dort haben die Koalitionspartner in den überwie­genden Fällen, wo es um die Kontroll- und Minderheitenrechte der Opposition geht, zugesagt, dass sie die erforderlichen Quoren bei Antragsstellung von zumindest zwei Fraktionen durch eigenes Abstimmungsverhalten sicherstellen wollen. Dennoch ist es wichtig, dass die Sicherung der Kontroll- und Minderheiten­rechte der Opposition nicht allein auf einer Willenserklärung von CDU und SPD beruht. Wir müssen diese „natürlichen“ Rechte der Opposition in einem gemeinsamen Landtagbeschluss, wie er von der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen heute eingebracht worden ist, festschreiben. Wir werden die Einzelheiten sicherlich noch dem zuständigen Ausschuss diskutieren müssen.

Bei der Frage, ob in der neuen Legislaturperiode die FDP oder die Grünen den Oppositionsführer oder die Oppositionsführerin stellen, hätten wir zu dem bewährten Mittel des Losentscheides greifen können. Das wäre, sagt der Wissenschaftliche Dienst, ganz in Übereinstimmung mit unserer Verfassung und sowohl auf Bundes als auch auf kommunaler Ebene ein anerkanntes Verfahren, um in Pattsituationen bei der Verteilung von Posten zu einer Entscheidung zu gelangen. Richtig ist allerdings auch, dass z.B. die Landesverfassung von NRW bei gleich großen Fraktionen das Wahlergebnis der Parteien hinzuzieht. Wir werden also der Überweisung dieser Angelegenheit in den Innen- und Rechtausschuss zustimmen.

Es wird auf die parlamentarische Praxis ankommen, ob die Landtagsarbeit auch in der Regierungsarbeit einer Großen Koalition nicht zu kurz kommt, wie Landtagspräsident Martin Kayenburg heute in einem Zeitungsinterview angekündigt hat. Das erfordert, dass alle Landtagsfraktionen sich der öffentlichen Debatte über die Regierungsbeschlüsse gerade auch im Landtag stellen, und das erfordert eine aktive und starke Opposition. Der SSW wird jedenfalls seinen Teil dazu Jahren beitragen.

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