Rede · 24.09.2025 Haushalt 2026: Solidarität fördern - gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken!

„Im Bereich der Minderheiten wird grundsätzlich nicht gekürzt. Angesichts der gesellschaftlichen und finanziellen Herausforderungen ist dies ein wichtiges Signal. Insgesamt zeigt der Haushaltsentwurf an einigen Stellen, dass es noch Luft nach oben gibt. Die Erwartungen an die Nachschiebeliste sind folglich hoch; ebenso wie die Erwartungen an die Verplanungen der Bundesmittel – der nördliche Landesteil darf hier nicht zu kurz kommen! Dafür sind wir als SSW bereit, konstruktiv mitzuarbeiten und gleichzeitig darauf hinzuwirken, dass der Haushalt in Bereichen, in denen noch Handlungsbedarf besteht, weiter verbessert wird. Der Landeshaushalt 2026 sollte ein Instrument für den gesellschaftlichen Zusammenhalt werden.“

Christian Dirschauer zu TOP 3+4 - Haushaltsberatungen 2026 – 1. Lesung (Drs. 20/3500; 20/3501)

Der Landeshaushalt ist mehr als nur eine Liste von Einnahmen und Ausgaben. Der Landeshaushalt ist ein politisches Bekenntnis. Er ist der Rahmen, in dem wir unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt gestalten und unsere Verantwortung gegenüber den Menschen in unserem Land wahrnehmen. Dies gilt auch für den Landeshaushaltsentwurf 2026, den wir hier und heute in erster Lesung diskutieren. Dabei bieten wir als SSW unserer skandinavischen Tradition entsprechend wie immer an, konstruktiv in den Haushaltsberatungen mitzuarbeiten.

Zunächst eine der wichtigsten Botschaften für uns: Im Bereich der Minderheiten wird grundsätzlich nicht gekürzt! Angesichts der gesellschaftlichen und finanziellen Herausforderungen ist dies ein ganz wichtiges Signal, über das wir uns freuen und das wir alle ausdrücklich begrüßen sollten. 
In einer Zeit, in der unsere Demokratie herausgefordert ist und unter Druck steht – sowohl durch äußere Krisen als auch durch innere Spannungen – ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir uns als Gesellschaft auf unsere gemeinsamen Werte besinnen. Wir erleben derzeit, dass die politischen Ränder immer lauter werden, dass das Vertrauen in staatliche Institutionen schwindet und dass sich zunehmend mehr Menschen abgehängt fühlen. Angesichts solcher Tendenzen ist es auch Aufgabe eines Landeshaushaltes, Solidarität zu fördern und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt eine starke finanzielle Grundlage zu geben. Und dazu gehört in Schleswig-Holstein selbstverständlich auch die Minderheitenpolitik. Sicherlich müssen auch Ausgaben auf den Prüfstand und Reformvorschläge dürfen nicht pauschal weggewischt werden. Aber der Sozialstaat an sich ist für uns nicht verhandelbar. Der Sozialstaat ist für uns alle da und er fängt diejenigen auf, die in Not sind, was ihn zu einem wichtigen Stützpfeiler der Demokratie macht. Die Bereiche, die den Sozialstaat stark machen und die den gesellschaftlichen Zusammenhalt auch erst ermöglichen, sind die Bereiche Bildung, Soziales, Sport, Kultur und ja, auch eine vorbildliche Minderheitenpolitik. In diesen Bereichen sind Einsparungen immer kurzsichtig und kontraproduktiv. Wenn wir also über die öffentlichen Haushalte und Finanzen diskutieren, dann sollten wir dies bei Einsparungsideen stets berücksichtigen. Uns allen ist klar: Schleswig-Holstein ist aktuell wieder ein Haushaltskonsolidierungsland. Der Landeshaushalt steht unter massivem Druck und auch unsere Kommunen geraten immer tiefer ins Minus. Die Haushaltskonsolidierung darf jedoch nicht auf dem Rücken der Schwächsten der Gesellschaft stattfinden. Die Daseinsvorsorge muss gesichert bleiben und wir müssen andere Wege zur Sanierung der öffentlichen Finanzen finden – die es ja gibt, wie auch der SSW alljährlich benannt hat und weiter benennt, Stichworte „Schuldenbremse reformieren“ und „Vermögenssteuer für Superreiche“, auf die ich gleich noch näher eingehen werde.

Zunächst eine übergeordnete Einordnung des Haushaltsentwurfes 2026:
Dieser beinhaltet aus unserer Sicht durchaus gute Schlagworte, aber eben auch riskante Wetten auf eine sich schnell bessernde Zukunft. Die Landesregierung stellt ihren Haushaltsentwurf abermals unter die Schlagworte „investieren“ und „konsolidieren“ – wie auch schon den letztjährigen Haushalt. Das Credo scheint also vermeintlich gleich zu bleiben. Doch in der Ausgestaltung weicht die Landesregierung von ihrem eigenen Pfad ab. 
Der Haushaltsentwurf 2026 steht unter massivem Sparzwang: Die Landesregierung plant mit einem Defizit von rund 970 Millionen Euro, also knapp einer Milliarde Euro, das noch nicht solide gegenfinanziert ist. Um diese Lücke zu schließen und die Schulden zu senken, plant die Landesregierung, 200 Millionen Euro einzusparen, 300 Millionen Euro aus dem Versorgungsfonds für Beamte zu entnehmen und auf eingeplante Bundesgelder sowie vermutlich Minderausgaben im Haushaltsvollzug, sprich eine allgemeine Besserung der Finanzlage, zu hoffen. Die sogenannte „Konsolidierung mit Verantwortung“, die sich die Landesregierung auf die Fahne geschrieben hat, sieht somit leider eher wie ein Dreiklang aus Rücklagenplünderung, Bundesmitteln und Prinzip Hoffnung aus.
Dies ist leider noch etwas dünn, aber wir sind ja dieses Jahr erstmals seit Jahren wieder im regulären Zeitplan unterwegs, die Haushaltsplanung läuft noch, wichtige Einnahmesummen stehen noch nicht final fest und wir erwarten daher gespannt weitere Anpassungen durch die Nachschiebeliste, die ja auch schon zugesagt wurden.

Ich greife dennoch mal ein paar Beispiele aus den Einzelplänen heraus, die wir gerne kommentieren und noch angepasst sehen wollen würden:
Da wären in den Einzelplänen 04 und 06 beispielsweise die massiven Minderausgaben in den Bereichen Wohnen und ÖPNV zu nennen; dort also, wo sich der Bund aus Ko-Finanzierungen zunehmend zurückzieht. Statt hier nun rückläufige Gelder auszugleichen oder abzumildern, stockt die Landesregierung lieber den Titel für Marketingmaßnahmen im Nahverkehr auf, um dann eine effektiv schlechter werdende Mobilität immerhin mit mehr Mitteln besser bewerben zu können. Hier könnte man vielleicht noch einmal die Prioritätensetzung überdenken und Mittel verschieben.
Apropos Mobilität: Der von uns beantragte schriftliche Bericht über das „Erhaltungsprogramm Landesstraßen 2023-2027“ wird ja noch ein eigener Aussprache-TOP, aber wir können schon einmal verraten, dass der Status Quo sowie die Planungen der Landesregierung hier wirklich erschreckend sind, sodass wir darüber unbedingt noch einmal näher diskutieren müssen. 
Gleichzeitig finden sich im Einzelplan 13, also im MEKUN, auffällig viele Titel mit hohen Verpflichtungsermächtigungen, was ein großes Indiz für vorsorgliche Geldbunkerei ist. Zudem wurden hier viele Titel, die zuvor aus Notkreditmitteln finanziert wurden, nun auf Null gesetzt, aber nicht gestrichen oder als Abwicklungstitel notiert. Die weitere Finanzierung? Unklar. Aber das Haushaltsfrageverfahren läuft ja auch gerade erst an.
Auch im Einzelplan 10, also im Sozialministerium, stören uns mehrere Titelansätze: Der Demenzplan ist weder ausreichend genug konkretisiert noch finanziert, was auch die erst kürzlich dazu stattgefundene Anhörung auf SSW-Initiative hin ganz offenkundig gezeigt hat. Das Landesblindengeld wird nach wie vor nicht adäquat angepasst. Insgesamt werden viele Ansätze zwar unverändert fortgeschrieben – immerhin –, doch durch die kontinuierlich steigenden Kosten kommt dies effektiv flächendeckenden Kürzungen gleich. Wo sollen diese „moderaten“, aber jährlichen Kürzungen im Sozialbereich letztlich denn hinführen? Gerade dieser Einzelplan und diese Titel sind für unsere Daseinsvorsorge und den gesellschaftlichen Zusammenhalt extrem wichtig! Hier können Kürzungen viel gravierendere Folgekosten auslösen, daher können wir davon nur dringend abraten.
Weitere für uns wichtige Punkte bleiben die Komplettkürzungen für die Tierheime und die Kürzungen bei der Verbraucherzentrale, die wir beide inzwischen ja leider fast schon „traditionell“ benennen müssen und entsprechend in unseren Haushaltsanträgen vorgemerkt haben; im Übrigen ebenso wie die Abwicklung des Versorgungssicherungsfonds, die wir nach wie vor rückgängig machen wollen.

Gleichzeitig sieht der Haushaltsentwurf ja durchaus richtige Investitionen in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz vor, die die Landesregierung ja auch prominent bei der Haushaltsvorstellung benannt hat. Dies sind ohne Frage richtige Schlagworte für Priorisierungen. Auf der anderen Seite passt für uns dann nicht ins Bild, dass die Landesregierung parallel dennoch hunderte Stellen im Schulbereich streicht. Diese sind im Einzelplan 07 im Übrigen nicht besonders transparent nachvollziehbar, aber viel gravierender ist ja, dass die Schulen, und beispielsweise auch die Jugendberufsagenturen, diese Kürzungen ja ganz real im Alltag zu spüren bekommen werden. Wie auf diese Weise ein Fortschritt im Bildungsbereich erreicht werden soll, bleibt noch ein Mysterium. 
Des Weiteren wird das Geld für die bejubelten Infrastrukturmaßnahmen ja hauptsächlich aus dem neuen, zusätzlichen Kreditrahmen für das Land sowie aus dem entsprechenden Bundes-Sondervermögen, das erst noch final beschlossen werden muss und das explizit nur für zusätzliche Projekte eingesetzt werden darf, kommen. Hier wird also ein bisschen gemogelt. Dennoch werden diese Gelder ja planmäßig kommen und sind natürlich enorm wichtig für Schleswig-Holstein.

Ich möchte daher nicht nur meckern. In diesen Zeiten ist die Haushaltsaufstellung extrem schwierig, dessen sind wir uns alle bewusst. Dieser erste Entwurf ist ein Provisorium und es wird sich allein durch die Bundespolitik in den nächsten Wochen noch einiges ändern, gerade auch in Hinblick auf die Einnahmesituation, was in unserem Fall ja grundsätzlich erst einmal positiv sein wird. Schleswig-Holstein wird von den Bundes-Sondervermögen sowie von der Schuldenbremsen-Reform profitieren. Aber die bestehenden Haushaltslöcher und Begehrlichkeiten übersteigen selbst diese Milliardensummen. Um damit umzugehen, blieben theoretisch drei Ansätze: Weitere Kürzungen, die den Menschen wehtun. Weitere Schulden, die diese Problematik weiter in die Zukunft verschieben. Oder das Einrichten weiterer Einnahmequellen. Alle drei Ansätze sind wenig populär. Aber wir müssen die aktuelle Situation nun einmal managen.

Zur Finanzierungsstrategie der Landesregierung gehören daher aktuell weitere Schulden – die legal aufgenommen werden dürfen, da die Schuldenbremse im Grundgesetz ja endlich entsprechend reformiert worden war, wie es der SSW zuvor jahrelang gefordert hatte; Grüße gehen raus an unseren Lars Harms! Ohne diese Reform, die von der aktuellen Landesregierung im Übrigen lange abgelehnt worden war, wäre die offene Haushaltslücke noch viel dramatischer. Hier wurde der richtige Weg beschritten, da dieser den Ländern die gleichen Verschuldungsspielräume wie dem Bund ermöglicht, was nur gerecht ist.

Und wer einmal sieht, dass SSW-Vorschläge und -Vorhersagen auch auf Bundesebene durchaus erfolgreich sein können, der mag sich ja vielleicht auch mit weiteren unserer Vorschläge noch einmal näher auseinandersetzen. Ich darf daher nochmals gerne auf die „Vermögenssteuer für Superreiche“ zu sprechen kommen:
Der SSW würde eine Vermögenssteuer begrüßen. Als Landessteuer käme diese immerhin den Landeshaushalten zu Gute. Dabei denken wir nicht an die einfache „Wiederbelebung“ der ehemaligen Vermögenssteuer, sondern würden eher nur die wirklich „Superreichen“ hierfür heranziehen wollen, sprich Multimillionäre und Milliardäre. Denn es ist nicht hinnehmbar, dass die zunehmenden Lasten der verschiedenen multikausalen Krisen vor allem vom Mittelstand und von den Menschen mit geringem Einkommen getragen werden. Es ist an der Zeit, dass auch die sehr wohlhabenden Mitglieder der Gesellschaft einen größeren Beitrag leisten; eben, weil sie es sich leisten können und weil sie eine solche Steuer in Hinblick auf ihren Lebensstandard vermutlich nicht einmal bemerken würden. In den vergangenen Haushaltsreden hatte unser Lars Harms stets vorgerechnet, mit welchen Schätzsummen Schleswig-Holstein so rechnen könnte. Bei einem konservativen Rechenbeispiel käme ein Schätzbetrag von rund 575 Millionen Euro zustande. Durchaus genug, um so einige Löcher zu stopfen und sinnvolle Investitionen anzustoßen. Zumal es weltweit kaum ein anderes Land gibt, das Arbeit stärker und Vermögen geringer besteuert als Deutschland, also hier geht es wirklich nicht um eine Neiddebatte. Bei der Schuldenbremsen-Reform hat es die Landesregierung verpasst, rechtzeitig den Bund zu adressieren, um sich diesen Erfolg mit auf die eigene Karte schreiben zu können. Bei der Vermögenssteuer für Superreiche könnten Sie es besser machen, indem Sie nun mit einer entsprechenden Bundesratsinitiative vorstoßen würden. Die Unterstützung des SSW hätten Sie hierfür.

Insgesamt zeigt der vorliegende Haushaltsentwurf also an einigen Stellen, dass es noch Luft nach oben gibt. Die Erwartungen an die Nachschiebeliste sind folglich hoch; ebenso wie die Erwartungen an die Verplanungen der Bundesmittel – der nördliche Landesteil darf hier nicht zu kurz kommen! Und wir möchten an dieser Stelle zudem und erneut gern anregen, dass auch die Minderheiten einen fairen Anteil erhalten sollten.
Die Erwartungshaltung bleibt, dass wir einen rechtskonformen Haushalt aufgestellt bekommen, der – bei aller Einsparnotwendigkeit – nach wie vor die Daseinsvorsorge sicherstellt und auch die großen Zukunftsthemen sowie als Kernfaktor den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Auge behält. Dafür sind wir als SSW bereit, konstruktiv mitzuarbeiten und gleichzeitig darauf hinzuwirken, dass der Haushalt in Bereichen, in denen noch Handlungsbedarf besteht, weiter verbessert wird. Wir freuen uns auf konstruktive Haushaltsberatungen!

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