Rede · 21.02.2002 Straßen und Wegegesetz

Rituale können etwas Schönes sein. Sie machen uns die Welt vertraut und strukturieren unser Leben. Auch in der Politik gibt es viele Rituale. Und wie im richtigen Leben sind uns manche davon lieb, während andere auch nur schlechte Gewohnheiten sind. Eines der irritierendsten Rituale besteht darin, dass manche Oppositionsfraktionen immer wieder die selben Vorschläge stellen um zu unter­streichen, wo sie mit der Regierung nicht unter einen Hut passen. Diese Vorgehensweise zeitigt auf zweierlei Art unan­ge­nehme Folgen: Zum einen weil die Themen dadurch einer Inflation unterliegen und häufig leider nicht mehr mit der gebotenen Sorgfalt beachtet werden. Zum anderen weil die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck gewinnen, dass es in der Politik nur noch um Showeffekte mit Blick auf die nächste Wahl geht und weniger um konstruktive parlamen­tarische Demokratie.

Der vorliegende Antrag der CDU ist ein solcher ritueller Antrag, dessen Inhalt uns jetzt schon seit sehr vielen Jahren immer wieder in Kommunen und auf Landesebene begegnet. Zuletzt hat die CDU-Land­tagsfrak­tion ja in der letzten Wahlperiode erfolglos versucht, durch eine Änderung des Landesver­wal­tungs­gesetzes die „öffent­­liche Ord­nung“ in den Städten und Gemeinden wieder­herzustellen.

Der SSW meint aber, dass das bestehende Recht ausreicht. Gegen aggressives Betteln und öffentliches Pinkeln kann heute schon eingeschritten werden. Für weniger brauchen wir keine Gesetzesänderung. Es soll nur eingeschritten werden, wenn Rechtsgüter geschützt werden müssen. Solange aber niemand in seinem Eigentum oder seiner körperlichen Unver­sehrt­heit beeinträchtigt oder aggressiv belästigt wird, muss er oder sie Abweichungen von der Norm dulden.

Menschen wie Obdach­lose, Drogen­abhängige oder Bettelnde gehören zu unserer Gesellschaft. Sie haben ein ebenso großes Recht auf die öffentlichen Orte wie jene, die sich durch ihren Anblick oder ihr Betteln gestört fühlen. Wen Penner, Fixer und Bettler stören, der soll sich erst einmal für bessere Wohnungs­hilfen, eine bessere Drogenpolitik, eine bessere Sozial­politik und eine bessere Gesund­heits­politik einsetzen, statt diese Menschen zu vertreiben. Aber letztlich müssen manche Menschen auch einfach lernen zu akzeptieren, dass Menschen nicht alle die eigenen bürgerlichen Wertvorstellungen teilen. Das gehört zur pluralistischen Demo­kratie dazu.

Die Regelung mit der Photographie nackter Kinder hat einen anderen Hintergrund, ist aber in der konkreten Ausgestaltung schwer nachvollziehbar. Natürlich wollen wir nicht, dass unsere Kinder als Sexualobjekte im Internet gezeigt werden – mit Bildern, die sie ein Leben lang verfolgen können. Aber das CDU-Verbot würde selbst zum Problem. Was will man denn tun, wenn Eltern ihre Kinder foto­grafieren, die ohne Beklei­dung auf dem Strand oder in der Stadt spielen. Sollen für sie eine Ausnahme gemacht werden, wenn sie sich ausweisen können. Und wie will man dann verhindern, dass nicht erst einmal auf­ge­brachte Bürgerinnen und Bürger, die Ordnung selbst herstellen und erst ein­mal Vätern an den Kragen gehen, ohne vorher nach dem Ausweis zu fragen. Eine solche örtlichen Regelung könnte auch dazu führen, dass Eltern ihre Kinder auch im Hochsommer nur noch ver­mummt spielen lassen. Ich glaube, dass die Öffent­lichkeit mittlerweile ausreichend sensi­bilisiert ist um lüsterne Männer zur Rede zur Stellen, wenn sie sich mit Kameras nackten Kindern unsittlich nähern.

Schleswig-Holstein gehört allen Bürgerinnen und Bürgern im Land. Deshalb muss der öffentliche Raum so weit wie möglich für alle offen stehen. – Dies gilt übrigens umso mehr, als der öffentliche Raum zunehmend privatisiert wird. – Wir werden uns jedenfalls dagegen wehren, dass eine selbst­ernannte moralische Mehr­heit maßgeblich aus Gründen der Ästhetik, der Bequemlichkeit und des Egois­mus den öffentlichen Raum für sich allein beansprucht.

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