Rede · 16.09.2009 Tariftreuegesetz anwenden

Wenn es um die Diskussion über faire Löhne geht, geht es nicht ausschließlich darum, ein absolutes Minimum – wie bei der Debatte um den gesetzlichen Mindestlohn – abzusichern. Vielmehr geht es darum, auch die tarifarisch ausgehandelten Löhne abzusichern, damit die Menschen einen fairen Lohn erhalten und gleichzeitig ihre Unternehmen eine faire Chance im Wettbewerb erhalten. Diese Zielsetzungen hat das Tariftreuegesetz und es hat diese Zielsetzungen auch erfüllt. Erst seitdem die damalige schwarz-rote Landesregierung dieses Gesetz einseitig mittels eines Erlasses außer Kraft gesetzt hat, haben wir hier bei uns wieder ungeregelte und für unsere Unternehmen und Beschäftigte unzufriedenstellende Zustände.

Nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hatte, dass nur noch gesetzlich festgelegte oder aber allgemeinverbindliche Tariflöhne per Tariftreueerklärung eingefordert werden können, hat die damalige schwarz-rote Landesregierung nicht etwa die Praxis an diese Rechtsprechung angepasst, sondern sie ist gleich Sturm gegen das Tariftreuegesetz gelaufen. Ein Erlass wurde herausgegeben, der nicht nur vorsah, dass das Land das Gesetz nicht mehr anwendet, sondern auch gleich die Empfehlung aussprach, dass auch die Kommunen es nicht mehr anwenden sollten. Damit wurde von schwarz-rot regelrecht gegen faire Löhne und gegen gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen entschieden.

Wir als SSW hatten schon gleich nach Bekanntwerden des Urteils darauf hingewiesen, dass es noch breite Möglichkeiten für die Einforderung von Tariftreueerklärungen gibt. In einem Antrag hier in Landtag haben wir deshalb dazu aufgefordert, das Gesetz weiterhin anzuwenden und darauf hinzuwirken, dass Tarifverträge in Zukunft als allgemein verbindlich erklärt werden. Die damalige Mehrheit hier im Hause hat dem Antrag nicht zustimmen wollen, wodurch viele Ausschreibungen seitdem ohne Tariftreue abgewickelt wurden – mit den entsprechenden negativen Auswirkungen für Beschäftigte und Betriebe.

Heute starten wir – gemeinsam mit SPD und Grünen - einen zweiten Anlauf, um unsere damalige Anregung umzusetzen. Das Tariftreuegesetz des Landes Schleswig-Holstein kann heute schon auf allgemein verbindliche Tarifverträge angewandt werden. Das heißt, dass diese eingefordert werden können. Zum Beispiel sind die Tarifverträge des Baugewerbes, des Elektrohandwerks, des Maler- und Lackiererhandwerks und auch des Dachdeckerhandwerks bundesweit allgemeinverbindlich. Diese können also weiterhin eingefordert und vor allem auch im Rahmen des Gesetzes überprüft und Vergehen hiergegen sanktioniert werden.

Wenn das Tariftreuegesetz wieder angewendet wird, gäbe es sogar einen Anreiz, dass auch andere vom Gesetz umfasste Branchen ihre Tarifverträge für allgemein verbindlich erklären lassen. So wären zum Beispiel regionale allgemein verbindliche Tarifverträge in den eben genannten Branchen oder auch in der Bauindustrie möglich. Und auch im privaten Omnibusgewerbe und bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben wären allgemein verbindliche Tarife denkbar. Das private Omnibusgewerbe verfügt schon über einen allgemein verbindlichen Manteltarif ohne Gehaltsbestandteile. Dieser wäre sicherlich relativ leicht zu erweitern und hierfür müssten nur Verhandlungen geführt werden. Das Tariftreuegesetz könnte hier somit sogar zu einer positiven Entwicklung in der Tarifgestaltung führen und es stärkt die Tarifautonomie – insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussionen über gesetzliche Mindestlöhne.

Deshalb dürfen wir bei der reinen Anwendung des Gesetzes nicht stehen bleiben, sondern wir müssen auch aktiv dafür sorgen, dass sich die Tarifpartner in den betroffenen Branchen auf allgemein verbindliche Tarifverträge einigen. Hier muss deshalb die Landesregierung aktiv werden und diesen Prozess fördern.

Heute fordern wir die sofortige Anwendung des Tariftreuegesetzes entsprechend der Möglichkeiten, die es heute schon gibt. Weiter wollen wir, dass die Kommunen entsprechend informiert werden und das Gesetz dann ebenfalls wieder anwenden. Und wir wollen, dass weitere Tarifverträge – gerade auch in Schleswig-Holstein – für allgemein verbindlich erklärt werden, damit möglichst viele Beschäftigte und Unternehmen weiterhin eine Chance haben. Das ist gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Phasen, wie jetzt, enorm wichtig.

Heute geht es um die Entscheidung „Mit uns für gerechten Wettbewerb für unsere Unternehmen und für faire Löhne für unsere Beschäftigten!“ oder „Gegen uns und gegen die hiesigen Unternehmen und gegen unsere Beschäftigten!“ - So einfach ist das! - Ich bitte Sie alle um Zustimmung zu unserem Antrag.

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