Rede · 15.12.2022 Ungewollt Kinderlose besser unterstützen
„Schleswig-Holstein muss endlich der Bundesinitiative beitreten und für eine gleichwertige Unterstützung ungewollt Kinderloser sorgen“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 12 - Ungewollt Kinderlose besser unterstützen - diskriminierungsfreie Kinderwunschbehandlung ermöglichen (Drs. 20/366 und 20/515)
Mir ist bewusst, dass wir das Thema Kinderwunschbehandlung vor gar nicht allzu langer Zeit auf der Tagesordnung hatten. Mit der Drucksache 19/2862 hatte die Jamaika-Koalition ihre Regierung darum gebeten, sich für eine bundeseinheitliche Lösung für eine finanzielle Unterstützung bei einem solchen Wunsch einzusetzen. Außerdem sollte die Regierung auf eine Kostenübernahme auch für nicht verheiratete und gleichgeschlechtliche Paare und Alleinstehende hinwirken. Und last but not least sollte auf Bundesebene geprüft werden, ob der im SGB V verankerte Altersunterschied zwischen Mann und Frau noch gerechtfertigt ist. Auch wenn der Antrag, wie so oft, überwiegend als Prüfauftrag formuliert war, sind diese Forderungen natürlich alle mehr als gerechtfertigt. Und wir haben daher schon damals auf dem Wege der Betroffenen gehofft, dass sich hier endlich etwas bewegt.
Doch wie wir wissen, ist bis heute leider nichts passiert. Nicht verheiratete oder gleichgeschlechtliche Paare mit unerfülltem Kinderwunsch werden bis heute ebenso benachteiligt, wie Alleinstehende. Nicht Verheiratete bekommen nur einen geringeren Zuschuss und sind in einigen Kliniken sogar gänzlich von der Behandlung ausgeschlossen. Und gleichgeschlechtliche Paare haben nicht mal Aussicht auf einen geringeren Zuschuss. Sie müssen jegliche Kinderwunschbehandlung selbst finanzieren, weil sich keine Krankenkasse beteiligt. Diese Regelungen sind aus unserer Sicht völlig aus der Zeit gefallen. Ja, der Schutz der Ehe steht im Grundgesetz. Aber das ist sicher nicht gleichbedeutend mit einer Diskriminierungspflicht von Unverheirateten. Und auch die sexuelle Orientierung darf keiner finanziellen Unterstützung einer Kinderwunschbehandlung entgegenstehen.
Wir können also festhalten, dass nach heutigem Stand sehr viele Menschen von einer Kinderwunschbehandlung ausgeschlossen sind. Oder dass ihnen eine solche Behandlung zumindest alles andere als leicht gemacht wird. Dabei sind viel mehr Paare ungewollt kinderlos, als man vielleicht unmittelbar vermutet. Laut Bundesfamilienministerium ist in Deutschland fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren betroffen. Das ist auch bei uns im Land eine wirklich große Gruppe. Und vielen dieser Paare könnten wir helfen. Denn neben der Möglichkeit der Adoption existieren bekanntlich unterschiedliche medizinische Möglichkeiten zur Lösung des Problems. Und wir haben auch als Land durchaus Optionen, um ungewollt Kinderlose besser zu unterstützen. Und diese sollten wir auch entschlossen nutzen.
Deshalb fordern wir in unserem Antrag, dass Schleswig-Holstein endlich der Bundesinitiative „Hilfe und Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit“ beitritt. Ich sage ausdrücklich „endlich“, weil diese Forderung nun wirklich nicht neu ist. Die Möglichkeit, ein flankierendes Landesprogramm aufzulegen, besteht bekanntlich seit über 10 Jahren. Und der Beitritt und die damit verbundene Kofinanzierung ist deshalb so wichtig, weil sie nun mal Voraussetzung für finanzielle Hilfen für Kinderlose aus diesem Bundesprogramm sind. Hier muss sich die Landesregierung endlich einen Ruck geben und dafür sorgen, dass Paare, die mit einem unerfüllten Kinderwunsch in Schleswig-Holstein leben, nicht länger schlechter gestellt sind als Paare in den meisten anderen Bundesländern.
Auch wenn der vorliegende Alternativantrag der Regierungstragenden gewohnt vage formuliert ist, schließt er diesen Weg ja zumindest nicht kategorisch aus. Und deshalb hoffen wir im Sinne der vielen Betroffenen im Land, dass nicht nur der Beitritt zur Bundesinitiative bald Realität ist. Sondern wir sind auch optimistisch, dass sich endlich etwas in Richtung einer diskriminierungsfreieren Unterstützung für ungewollt Kinderlose bewegt. Denn das, was unverheiratete oder gleichgeschlechtliche Paare mit unerfülltem Kinderwunsch bis heute erleben, ist schlichtweg diskriminierend und muss dringend geändert werden. Wir sind der Auffassung, dass eine entsprechende Reform wirklich mehr als überfällig ist.