Rede · 15.12.2016 Unsere Strukturen für Hinweisgeber - Dienstvorgesetzte, Personalräte, Beauftragte und Petitionsausschuss - funktionieren
Lars Harms zu TOP 25 - Whistleblower im öffentlichen Dienst schützen
„Eines ist klar: Anonymen Hinweisen gegenüber bin ich persönlich sehr skeptisch. Ich erwarte von verantwortungsvollen Bürgerinnen und Bürgern, dass sie sich bekennen. Das Internet zeigt überdeutlich, wo das hinführt, wenn sich Trolle, Hassredner und Verleumder unter einem Pseudonym verbergen.“
Bevor neue Strukturen eingerichtet, mit Personal besetzt oder entsprechendes Personal ausgebildet werden muss, sollte man immer erst einmal sehen, was die bestehenden Strukturen hergeben. Das ist ein Grundsatz, der auch beim vorliegenden Antrag eine Rolle spielt, der ja eine Reihe von neuen Strukturen neu einrichten will.
Tatsächlich ist das Phänomen des Whistleblowers keine Erscheinung, die mit Edward Snowden in die Welt gekommen ist. Hinweisgeber über Probleme in der öffentlichen Verwaltung gab es eigentlich schon immer. Und diese Hinweise kann man in Schleswig-Holstein durchaus auch loswerden. Der Vorgesetzte, der Personalrat oder auch die Beauftragten für Naturschutz, soziale Angelegenheiten, Behinderte, Flüchtlinge, Polizisten oder für Datenschutz sind bewährte Ansprechpartner. Auch der Petitionsausschuss ist ein gutes Forum. Durch diese Strukturen können Probleme durch interne Hinweisgeber ans Licht kommen.
Zugegeben hat das Verpfeifen von Kolleginnen und Kollegen in Deutschland aber nach wie vor einen negativen Begleitton. Verpetzen, Nest beschmutzen und damit ins schlechte Licht rücken – das sind in Deutschland meist überwiegend die sprachlichen Zusammenhänge, die bis zum Vorwurf des Verrats gehen, wenn Insider gegenüber Kolleginnen und Kollegen aussagen. Das Benennen von Fehlentwicklungen hat aber nichts mit Nestbeschmutzung zu tun. Falsche Solidarität bringt eine Gesellschaft in Teufels Küche. Fachbrüderschaften, Netzwerke oder Institutionen müssen durchlässig und transparent sein. Genau das ist die Landesverwaltung auch. An dieser Stelle warne ich ausdrücklich davor, die Beschäftigten unter Generalverdacht zu stellen. Wir sollten uns vorm Schlechtreden hüten.
Die antragsstellenden Piraten fordern, dass Insidern die Möglichkeit erleichtert wird, Hinweise an die Öffentlichkeit zu bringen. Die Verweise auf die Praxis anderer Bundesländer sind interessant, bedürfen allerdings noch einer vertiefenden Diskussion. Eines ist klar: Anonymen Hinweisen gegenüber bin ich persönlich sehr skeptisch. Ich erwarte von verantwortungsvollen Bürgerinnen und Bürgern, dass sie sich bekennen. Das Internet zeigt überdeutlich, wo das hinführt, wenn sich Trolle, Hassredner und Verleumder unter einem Pseudonym verbergen. Die Anonymität im Netz ist ein schützenswertes Gut, aber deswegen muss man anonyme Hetze nicht gut finden. Da werden im Sekundentakt Anschuldigungen und Lügen verbreitet, die einen nachhaltigen und schlimmen Effekt auslösen. Für mich ist klar, dass zu einem Hinweis grundsätzlich ein Name und ein Gesicht gehören.
Hinweisgeber haben mitunter aber mit unangenehmen Konsequenzen zu rechnen, wenn Dienstwege nicht eingehalten und auch andere offizielle Stellen nicht kontaktiert werden. So erging es anscheinend auch Frau Dr. Herbst, die 17 Jahre lang angestellte Tierärztin des Kreises Segeberg war. Die Amtstierärztin hat in der Öffentlichkeit BSE-Alarm geschlagen. Danach erfolgte ihre Entlassung durch ihren Vorgesetzten, den Landrat, weil sie den Dienstweg nicht eingehalten habe, was in einen jahrelangen Rechtsstreit mündete. Allerdings darf an dieser Stelle der Hinweis nicht fehlen, dass auch heute noch nicht geklärt ist, ob damals klinische BSE-Fälle vorlagen. Entsprechende Untersuchungen im Jahre 2001 von fünf so genannten Rückstellproben waren negativ. Alles das ist nachlesbar in der Antwort der Landesregierung zu einer kleinen Anfrage aus dem Sommer. Somit taugt dieses Beispiel auch nur begrenzt für unser heutiges Thema, da es hier anscheinend eher um Dienstrechtsverletzungen geht und nicht um die Offenlegung von Missständen allgemein.
Dieser Einzelfall ist also nicht typisch. Der öffentliche Dienst ist auf engagierte und mutige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. Meiner Erfahrung nach sieht es in dieser Beziehung in Schleswig-Holstein gut aus. Zugegeben ist unser Land auch zu klein, als das Fehlverhalten lange unentdeckt bleiben. Die Landesregierung bemüht sich um eine offene Personalentwicklung, so dass sich Korpsgeist erst gar nicht herausbilden kann.
Ich schätze die Strukturen, die wir für Hinweisgeber haben - also Dienstvorgesetzte, Personalräte, Beauftragte und Petitionsausschuss - als belastbar, unabhängig und funktionsfähig ein. Diese Strukturen sind gut eingeführt und außerdem landesweit bekannt. Neue Internetbörsen oder Kontaktnummern scheinen da erst einmal keinen direkten Mehrwert zu haben, weil wir solche Anlaufpunkte ja schon haben. Darüber hinaus, ich führte es bereits am Beginn aus, ist mit der Schaffung umfangreicher neuer Strukturen ein finanzieller Aufwand in bislang unbekannter Höhe verbunden. Ich plädiere darum für die Nutzung dessen, was wir haben.
Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten oder einer anderen vorhandenen Anlaufstelle mag lange nicht so spektakulär sein wie ein Interview mit einer Zeitung. Aber ich bin davon überzeugt, dass abseits der Skandalisierung auf diesem Wege Fehlverhalten bereits frühzeitig erkannt und geändert werden kann. Viele Whistleblower sind derzeit schon aktiv, ohne dass sie sich so fühlen!