Rede · 21.05.2021 Vermittlung von Unternehmensgeist ohne mehr Recourcen widerspricht sich selbst

„Wo sind die zusätzlichen Stunden für dieses Modul? Ich will es nicht spannend machen: sie fehlen in dem Bericht. Es geht schließlich um „ein sich selbst verstärkendes System“. 

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 36 - Mehr Unternehmergeist in Schleswig-Holsteins Schulen (Drs. 19/2982)

Ich erinnere noch gut die Projektwochen an unserer Schule, als wir mit allen Schülerinnen und Schüler die Verhältnisse in einem Dorf nachempfunden haben. Große und kleine Schülerinnen und Schüler und auch diejenigen mit Handicap haben sich mit großer Begeisterung an dem Projekt beteiligt. 
Da gab es zum Beispiel kleine Bäckerinnen und Bäcker, die gebacken haben, um im Lauf der Woche ihre eigenen Kuchen zu verkaufen. Sie haben schnell gemerkt, wie der Markt tickt; und dass es sich lohnt, die Ware gut zu präsentieren. Dieses Verständnis haben sich die Schülerinnen und Schüler selbst erarbeitet. Diese direkten Lernerfolge haben sie regelrecht angespornt. Trotz aller Anstrengungen wurde das Projekt „lille by“ jedes Mal wieder gefordert und durchgeführt. 
Stundenlange Vorträge zum Thema Unternehmertum können diese Erfahrungen aus erster Hand nicht ersetzen. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass dieser ganzheitliche Ansatz nicht unbedingt personalschonend ist.
Gründliche Vorbereitung, sachkundige Anleitung und nicht zuletzt die Nachbereitung haben viele Stunden in Anspruch genommen. 
In der Schule Lust aufs Unternehmen zu machen, ist ganz klar eine zusätzliche Aufgabe. 
Inzwischen füllen die Wünsche nach zusätzlichen Qualifikationen, die Schule vermitteln soll, dicke Aktenordner. So verständlich der Wunsch danach ist, die Ressourcen müssen dazu passen. Ohne zusätzliche Ressourcen, können die Schulen keine zusätzlichen Aufgaben anbieten.
Dann schauen wir doch einmal in den Bericht, was zu dem Thema „Personelle Ressourcen“ zu finden ist. Auf Seite 19 wurde ich fündig. Dort werden die Handlungsebene beschrieben und die Netzwerke; eine Seite später wird sogar über Fortbildung berichtet. 
Doch wo sind die zusätzlichen Stunden für dieses Modul? Ich will es nicht spannend machen: sie fehlen in dem Bericht. Es geht schließlich um „ein sich selbst verstärkendes System“. 
Ich möchte das einmal übersetzen: ein System, das mehr Aufgaben übernimmt und ausführt, um danach noch mehr Aufgaben aufgehalst zu bekommen. Ich halte das für falsch.
Das Problem, das die Vermittlung von Unternehmensgeist als wichtige Aufgabe identifiziert wurde, ohne deutliche Aufstockungen vorzunehmen, ist der Subtext des Berichtes.  
Fachunterricht in Unternehmergeist, Wahlpflichtangebote oder Arbeitsgemeinschaften funktionieren beispielsweise nur, wenn es gute Materialien dazu gibt. 
Dann schauen wir doch mal auf die angepriesene Seite wir-unternehmen-was. 
Unterrichtsmaterialien bekomme ich nach längeren Geklicke in Form eines so genannten Playbooks, das für Tagesworkshops, Projekttage oder Projektwochen empfohlen wird.  
Und das auch ausdrücklich nur für den Bereich sozialunternehmerischer Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen. Unterrichtsmaterialien zu anderen Themengebieten, die Schatzkiste an Ideen, wie auf der Seite zu lesen ist? Fehlanzeige. 
Das ist nicht gerade die Unterstützung, die ich mir vorgestellt hatte. 
Es ist daher wenig überraschend, dass nicht einmal 10 % der Schulen hierzulande, nämlich genau 127 Schulen, das angesprochene Playbook herunter geladen und genutzt haben. 
Vor diesem Hintergrund begrüße ich ausdrücklich die Möglichkeiten der Evaluation. 
Das ist leider nicht immer selbstverständlich. Zu oft werden gute Ideen nur schlecht umgesetzt und das ohne Konsequenzen. Das soll in diesem Fall anders sein. 

Ich frage darum: Welche Ziele wurden erreicht und welche eben nicht? 
Wo fehlen Ressourcen? Wie kommt das Lehrmaterial an? 
Wie klappt die Organisierung von externem Sachverstand? 
Das sind Fragen, denen wir uns stellen müssen. 
Die Antworten werden sicherlich nicht alle zufriedenstellend ausfallen.
Wir müssen wohl, und davon bin ich überzeugt, nachsteuern. 

Weitere Artikel

Pressemitteilung · 25.07.2024 Sprachenpolitik ist mehr als „nice to have“

Zum „Handlungsplan Sprachenpolitik“ der schleswig-holsteinischen Landesregierung für die 20. Legislaturperiode erklärt die stellvertretende Vorsitzende der SSW-Landtagsfraktion, Sybilla Nitsch:

Weiterlesen

Pressemitteilung · Kiel · 26.07.2024 Keine Beitragserhöhungen beim Kita-Essen

Zu den Plänen der Kieler Stadtverwaltung, die Beiträge der Eltern für das Essen in den Kitas zu erhöhen, erklärt Ratsmitglied Marvin Schmidt, jugendpolitischer Sprecher der SSW-Ratsfraktion Kiel:

Weiterlesen

Pressemitteilung · Kiel · 26.07.2024 Olympia 2040 in Kiel: Ja, aber...

Zur Erklärung der Kieler Verwaltungsspitze für eine deutsche Olympiabewerbung 2040 mit Kiel als Austragungsort für die Segelwettbewerbe ins Rennen zu gehen, erklärt Ratsherr Marcel Schmidt, Vorsitzender der SSW-Ratsfraktion Kiel:

Weiterlesen