Rede · 25.04.2008 Versorgung mit Postdienstleistungen in Schleswig-Holstein

Die Öffnung der Postmärkte ist, wie auch in anderen Fällen, auf die Umsetzung des Binnenmarktes innerhalb der EU zurückzuführen und geht auf eine Richtlinie der EU von 1997 zurück. Dennoch wurde die Liberalisierung bisher nur in mehreren Phasen vorangebracht. So stand zum 31.12.2007 der Deutschen Post AG das ausschließliche Recht zu, Briefsendungen und adressierte Kataloge mit einem Einzelgewicht von bis zu 50 Gramm zu befördern. Alle anderen Postdienstleistungen wurden bereits vom Markt erbracht.

Seit dem 1. Januar 2008 ist nun der Postmarkt in Deutschland vollständig geöffnet. Dies ist anders als in vielen anderen EU-Ländern, da die vollständige Öffnung der EU-Postmärkte jetzt auf den 1.1.2011 verschoben worden ist und einige neue Beitrittsländer dürfen sogar bis Ende 2012 mit der Öffnung warten. Angesichts der Ungereimtheiten und Probleme, die sich aus dieser Öffnung ergeben können, fragt man sich schon, warum ausgerechnet Deutschland wieder mal Vorreiter bei Liberalisierung sein musste.

Die Große Anfrage der SPD zur „Versorgung mit Postdienstleistungen in Schleswig-Holstein“ gibt uns eine gute Gelegenheit, einige Fakten und Hintergründe zur Debatte um den Mindestlohn der Post, der ja vor einigen Monaten zur heftigen Kontroversen geführt hat, klar zu stellen. Darüber hinaus ist die Versorgung mit Postdienstleistungen auch wieder ein klassisches Beispiel, wie schwierig es ist, die früheren staatlichen „natürlichen“ Monopolisten zu privatisieren und einen vernünftigen Wettbewerb einzuführen, wenn man gleichzeitig eine Grundversorgung sichern muss.

Denn darum geht es natürlich insbesondere für ein Flächenland wie Schleswig-Holstein, das darüber hinaus auch noch viele kleinere Inseln hat: Wie sichern wir bei einer Privatisierung der Post und einer Liberalisierung der Postmärkte die Grundversorgung mit Postdienstleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger? Diese Grundversorgung kann man eben nicht vollständig dem Markt überlassen.

Stellen sie sich mal vor, wie teuer es zum Beispiel für die Bewohner auf den nordfriesischen Inseln und Halligen wäre, wenn sie ihre Post nach den Gesetzen des freien Marktes verschicken oder bekommen sollten. Es ist also klar, dass der Staat in einem solchen Bereich die Aufgabe hat, eine gewisse Grundversorgung bei den Postdienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu sichern.

Diese Grundversorgung wird in Deutschland durch die sogenannte Postuniversaldienstverordnung geregelt. Demnach ist nach dieser Verordnung ein Mindestangebot an Postdienstleistungen flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu vernünftigen Preisen zu erbringen. Bisher hat die Post AG diese Universaldienstleistung erbracht und sich sogar darüber hinaus freiwillig verpflichtet, 12.000 Filialen für die Brief- und Paketbeförderung sowie mindestens 108.000 Briefkästen vorzuhalten.

Auch nach der völligen Öffnung des Postmarktes bleibt die Verpflichtung nach der Verordnung bestehen. Allerdings muss sie nicht zwangsläufig von der Post AG erbracht werden, sondern die Netzagentur kann in Zukunft andere Unternehmen, die die Lizenz für die Postdienstleistungen haben, dazu verpflichten, diese Leistung zu erbringen, wenn die Universalleistung von der Post AG nicht mehr erbracht kann. Angesichts der Marktbeherrschung ist aber davon auszugehen, dass in nächster Zeit der bundesdeutsche Universaldienst weiterhin von der Post AG geleistet wird.

So weit so gut. Aber wie sieht es dann aus mit der Grundversorgung vor Ort in Schleswig-Holstein? Ist diese wirklich ausreichend? Denn folgt man den Berichten in den Medien, dann hört man sehr oft, dass Postfilialen geschlossen werden und, dass gerade auch ältere Mitbürger Probleme damit haben, wenn es in ihrer Nähe keine Briefkästen mehr gibt. Jüngst konnten wir im Schleswig-Holstein-Magazin den Ärger vieler Bewohner über weitere geplante Filialschließungen in Lübeck verfolgen.

Natürlich ist der Prozess der Filial- und Postkastenschließungen der Post AG schon seit Jahren in Gang und ist auch für das Unternehmen, dass sich der zunehmenden Konkurrenz anderer Wettbewerber ausgesetzt sieht, eine wirtschaftliche Notwendigkeit. In der Antwort zur Großen Anfrage macht die Landesregierung allerdings darauf aufmerksam, dass sich das Filialnetz der Post in der Summe zwischen 1999 und 2007 in Schleswig-Holstein nur von 442 auf 420 verringert hat. Dahinter verbirgt sich aber natürlich schon, dass viele Bürgerinnen und Bürger eine Serviceverringerung bei der Post wahrnehmen.

Dennoch muss man sagen, dass die Postuniversaldienstverordnung auch aus Sicht des SSW vertretbare Anforderung an die Grundversorgung im Bereich des Postwesens stellt. So muss in allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern eine stationäre Einrichtung vorgehalten werden. Und in Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern muss in zusammenhängend bebauten Gebieten eine stationäre Einrichtung in maximal 2 Kilometer Entfernung vorhanden sein. Dies erscheint uns auch eine ausreichende Grundversorgung zu sichern. Nur die Anforderung, dass in Landkreisen in einer Fläche von 80 Quadratkilometern eine stationäre Einrichtung vorhanden sein muss, erscheint uns als zu wenig, auch wenn alle übrigen Orte mit einem mobilen Postservice versorgt werden müssen.
Insgesamt ist aber der Landesregierung zuzustimmen, dass die postalische Grundversorgung vor dem Hintergrund der Liberalisierung, bisher jedenfalls als ausreichend zu bezeichnend ist.

Obwohl es also übergeordnet die Aufgabe des Bundes ist, im Bereich des Postwesens für die gesamte Bevölkerung angemessene und ausreichende Postdienstleistungen zu gewährleisten, übernimmt die Post AG dieses und ist darüber hinaus sogar noch weitere Selbstverpflichtungen eingegangen. Vor diesem Hintergrund wäre es natürlich fatal, wenn die Post in einem liberalisierten Markt Dumpingpreisen von der neuen Konkurrenz ausgesetzt gewesen wäre. Schließlich muss die Post auch erst einmal das Geld für die Universaldienstleistung erwirtschaften.

Von daher war es nur logisch, dass man gerade im Postbereich seitens des Bundes versucht hat, einen Mindestlohn für alle Anbieter einzuführen. Mit zirka 9,50 Euro pro Stunde liegt dieser Mindestlohn zwar noch besser als das, was zum Beispiel der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert, aber prinzipiell war es richtig, gerade in einem liberalisierten Markt eines früheren „natürlichen“ Monopols so einen Mindestlohn gesetzlich festzulegen, damit alle die gleichen Wettbewerbschancen haben.

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