Rede · 26.09.2025 Wir brauchen die Minderheitenberichte!
„Minderheitenberichte haben einen Mehrwert, der sich vor allem in ihrer Transparenz und Nachvollziehbarkeit finden lässt. Sie erfüllen eine Schutzfunktion. Ihre verpflichtende Einführung für die kommunale Ebene im Jahr 2015, unter Regierungsbeteiligung des SSW, war eine logische Fortführung des verfassungsrechtlich verankerten Minderheitenschutzes in Schleswig-Holstein. “
Sybilla Nitsch zu TOP 5 - Gesetz zur Entlastung von Bürokratie in der Kommunal- und Landesverwaltung (Drs. 20/3514)
Beim ersten Gegenlesen des vorliegenden Gesetzentwurfs fielen mir vor allem erst einmal Schönheitskorrekturen auf, die vorgenommen werden sollen. Ein Komma streichen hier, ein Doppel-S statt Eszett da. Dann aber auch einzelne Punkte, die wir als SSW gut mitgehen könnten.
Etwa Flexibilisierungsmaßnahmen im Haushaltsrecht oder Vereinfachungen bei den Finanzströmen zwischen Land und Kommunen.
Insgesamt schlussfolgert die Landesregierung laut Entwurf, es müssten auf allen Ebenen Abläufe einfacher, effizienter und effektiver gestaltet werden. Dies betreffe auf Ebene der Landesgesetzgebung insbesondere „übermäßig detaillierte Prüf-, Dokumentations- und Mitteilungspflichten.“ Bisherige landesgesetzliche Hürden, die nicht zwingend erforderlich sind, sollen nun abgebaut werden.
Und da lohnt es sich schon, aufmerksam wahrzunehmen, was offenbar als übermäßig detailliert und gleichzeitig nicht zwingend erforderlich definiert wird.
Informationen über die Lage der nationalen Minderheiten und Volksgruppen zum Beispiel. So soll die Pflicht zur Erstellung von Minderheitenberichten aus der Kreis- sowie der Gemeindeordnung gestrichen werden.
Unnötig und vor allem ohne jede Absprache mit den Minderheiten selbst.
Die Organisationen sind – genau wie wir als SSW – wirklich irritiert.
Die Begründung, warum man die Berichtspflicht als unnötig erachtet, muss man sich wirklich einmal zu Gemüte führen: „Eine gesetzliche Pflicht zum Schutz und zur Förderung der nationalen dänischen Minderheit, der Minderheit der deutschen Sinti und Roma und der friesischen Volksgruppe besteht (…) ohnehin.“
Achso. Dann ist ja alles ok.
Wir können uns also politisch jedwede Form von Prüfung, von Kontrolle, von Berichtswesen sparen, weil es eine gesetzliche Pflicht gibt?
Dann möchte ich nur eines von Ihnen wissen: Würde Sie noch in ein Restaurant gehen, wenn die Lebensmittelkontrolle so arbeitet?
Auf welche Politikfelder will man dieses Argument perspektivisch denn noch ausdehnen? Es gibt eine gesetzliche Pflicht, also wird schon alles gut sein? Das ist entweder zu viel Gutgläubigkeit für einen Gesetzesentwurf oder einfach eine Fehleinschätzung der Situation.
Wir brauchen die Minderheitenberichte. Gerade aus den Kreisen und Kommunen. Sie sind nicht nur eine bloße Auflistung minderheitenpolitischer Maßnahmen, sie legen immer auch offen, an welchen Stellen noch Defizite da sind. Sie schaffen ein minderheitenpolitisches Bewusstsein und enthalten oft genug konkrete Handlungsempfehlungen an die kommunale Ebene für Verbesserungen. Sie führen zu einem Bekenntnis, wo die kommunale Ebene Verantwortung übernimmt und was sie tun will, um Regional- und Minderheitensprachen sichtbar, hörbar und langfristig erlebbar zu machen.
Minderheitenberichte haben einen Mehrwert, der sich vor allem in ihrer Transparenz und Nachvollziehbarkeit finden lässt. Sie erfüllen eine Schutzfunktion. Ihre verpflichtende Einführung für die kommunale Ebene im Jahr 2015, unter Regierungsbeteiligung des SSW, war eine logische Fortführung des verfassungsrechtlich verankerten Minderheitenschutzes in Schleswig-Holstein.
Eine Landesregierung, deren minderheitenpolitischer Selbstanspruch eigentlich ein ganz anderer ist, sollte sich solche Vorschläge nicht leisten. Schon gar nicht in dieser Art und Weise, also ohne die Minderheiten und beispielsweise ihre politische Vertretung wenigstens vorher einmal einzubinden.
Das wird nun im Ausschuss nachgeholt werden müssen. Und da wird mich auch wirklich brennend interessieren, welche Mitglieder der Kommunalen Landesverbände in dieser Art an den Minderheiten sparen wollen, denn Ihr Entwurf ist ja laut der präsentierten „Lösung“ auf Seite 2 im „gemeinsamen Schulterschluss mit den kommunalen Landesverbänden“ entstanden. Einige große Kommunen können hier gar nicht eingebunden worden sein.
Ich nenne beispielhaft zwei Kommunen, die eine wirklich tolle Berichtsarbeit machen:
Der Bericht zur Lage der dänischen Minderheit im Kreis Schleswig-Flensburg wurde gerade erst erstmalig und eigeninitiativ nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Dänisch veröffentlicht. Und die Kreisverwaltung Nordfriesland hat die Veröffentlichung ihres Minderheitenberichts in diesem Jahr gemeinsam mit dem Landesverband deutscher Sinti und Roma mit einer Ausstellung zur Geschichte der Sinti und Roma verbunden. Dazu kommt der Konsens aller demokratischer Fraktionen, dass man politisch mit den Handlungsempfehlungen des Minderheitenberichts arbeitet.
Dieser vorliegende Entwurf passt überhaupt nicht zu einer ansonsten als vorbildlich geltenden Minderheitenpolitik.
Ich zitiere aus dem Handlungsplan Sprachenpolitik: „Auf der kommunalen Ebene gibt es vielfältige Initiativen der kommunalen Selbstverwaltung, um die Sichtbarkeit der sprachlichen und kulturellen Vielfalt unseres Landes zu stärken (…)“, dazu gehören explizit die Berichte in den Kreisen, Städten und Kommunen.
Ich setze daher auf die vorsichtige Öffnung des Ministerpräsidenten und vor allem auf die Signale aus den regierungstragenden Fraktionen aus der MSPI-Debatte von Mittwoch. Jetzt liegt der Gesetzentwurf vor. Und jetzt ist die Möglichkeit da, ihn im parlamentarischen Verfahren zu verändern.