Rede · 25.01.2017 Wir investieren in die Zukunft der Schleswig-Holsteiner

Lars Harms - TOP 10 - Gesetz zur Änderung der Landesverfassung

„Wer das Ausgabeverhalten des Staates bewerten möchte, muss eine politische Bewertung der Maßnahmen vornehmen.“

Starre finanzpolitische Regeln führen nach meiner Erfahrung nur zum fleißigen Um-Etikettieren verschiedener Haushaltsposten. Genau das wird passieren, wenn wir dem vorliegenden Antrag folgen würden. Ich warne ausdrücklich davor, die Investitionsquote in den Verfassungsrang festzuschreiben, weil es überhaupt keine belastbare Definition für staatliche Investitionen gibt. Bei Unternehmen ist das etwas anders. Ihr langfristiger Einsatz von Investitionen in Sachkapital wie Betriebsgebäude, Anlagen, Maschinen oder Werkzeuge dient ausschließlich der Güterproduktion und ist dementsprechend unter anderem durch das Steuerrecht festgelegt und definiert. Beim Staat ist das nicht so. Darum ist der Willkür bezüglich des Investitionsbegriffs Tür und Tor geöffnet. Ist der Bau einer Schule eine Investition, aber die Weiterbildung von Lehrkräften nicht; weil das eine die Verwendung in Sachgüter ist und die Weiterbildung nur eine Dienstleistung? Das ist eine technische Unterscheidung, die keinen Erkenntnis- oder Kontrollgewinn mit sich bringt. Darum ist diese Auslegung auch schon lange vom Tisch, weil sie einfach keinen Sinn macht. Inzwischen hat sich sogar die Erkenntnis durchgesetzt, dass jede zukunftsorientierte Geldausgabe des Staates als Investition begriffen werden kann. 

Wir haben hier im Plenum schon das ein oder andere Mal in die Investition in Beton oder die Investition in Köpfe gestritten. Der SSW hat sich immer dafür eingesetzt, die Infrastruktur nicht kaputtzusparen, sondern mit Reparatur, Instandsetzung und Neubau auf einem soliden Niveau zu halten. Die Investitionen in die Infrastruktur sind die Grundlage für den Standort Schleswig-Holstein. Aber natürlich ist jeder Steuereuro, der in die Bildung fließt, ebenfalls gut angelegt. Die Bundeskanzlerin sagt regelmäßig, dass sie die Bildungsausgaben des Staates als Investition in die Köpfe verstanden haben will. 

Das hat aber auch einen Haken, denn auf dieser Weise kann man fast alle Ausgaben des Staates als zukunftsorientierte Investitionen verstehen. Aber wenn alle staatlichen Programme  irgendwie alle Investitionen sind, dann bleibt nicht mehr viel übrig, was im Haushalt nicht unter das Etikett Investition fällt. Dann liegt der Investitionsanteil der öffentlichen Haushalte enorm hoch. So ein allumfassendes Verständnis hilft also auch niemandem. 

Also gehen wir wieder zum Anfang zurück. Der Staat muss wissen, wofür er die Steuermittel einsetzt. Nur so kann er überhaupt steuern. Haushaltsklarheit ist also das oberste Gebot und ermöglicht erst die demokratische Kontrolle und Steuerung. Zielgrößen können hilfreich sein, wenn sie handhabbar und transparent sind. Ich bestreite, dass das auf den Begriff Investitionen zutrifft. Ich möchte ein Beispiel anführen:

Das Land akzeptiert und unterstützt die Autonomie der Hochschulen. Darum überlässt die Landesregierung den Universitäten und Fachhochschulen die Schwerpunktsetzung; also die Entscheidung, wie die Mittel eingesetzt werden: ob nun in einem neuen Operationssaal oder bessere Lehre oder eine neue Software. Dementsprechend muss man die Zuschüsse an die Hochschulen genau genommen von der Investitionsquote des Landes abziehen, weil schließlich das Land die Investitionen nicht tätigt, sondern die jeweilige Hochschule. Würde die Autonomie der Hochschulen hier aber aufgegeben und das Land dann selbst als Bauherr auftreten, dann wären dies anrechnungsfähige Investitionen nach dem derzeitigen Investitionsbegriff. Nur um die Investitionsquote zu erhöhen, könnte man auf die Idee kommen, die Autonomie der Hochschulen einzuschränken. Das will doch kein Menschen.

Und genau aus solchen klaren Definitionsschwierigkeiten und aufgrund der Tatsache, dass der Investitionsbegriff in Staatshaushalten kaum eine richtige Aussagekraft hat, halten wir eine in der Verfassung festgelegte Investitionsquote für wenig hilfreich. Denn der Staat ist kein Unternehmen, das nach betriebswirtschaftlichen Kategorien zur Gewinnmaximierung betrieben wird. Der Staat ist der Sachwalter der Bürgerinteressen und dafür das eine gute Sach- und Dienstleistungsinfrastruktur vorzuhalten. Dazu zählen dann nicht nur Gebäude, Straßen oder Schienen, sondern auch Bildungschance, Kita-Plätze und Kulturausgaben. Der Staat ist mehr, als dass man ihn nur auf eine Investitionsquote reduzieren könnte. Wer das Ausgabeverhalten des Staates bewerten möchte, muss eine politische Bewertung der Maßnahmen vornehmen. Und diesen Ideenwettbewerb müssen wir uns spätestens alle 5 Jahre wieder stellen. Das ist mit Recht in der Verfassung so angelegt. Eine starr festgeschriebene Investitionsquote brauchen wir dort aber nicht!

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