Rede · 24.09.2025 Wo sind denn hier die Minderheiten?

„Gerade die öffentlich-rechtlichen sollten unsere Bürgerinnen und Bürger dazu befähigen, am freien Diskurs, an der freien Debatte teilzuhaben.“

Sybilla Nitsch zu TOP 2 - Gesetz zum Siebten Staatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge (Drs. 20/3137, 20/3409)

Ich habe oft gehört, dass es mit dem siebten Medienänderungsstaatsvertrag darum gehe, die öffentlich-rechtlichen „zukunftsfest zu machen“, also auch ihn an die veränderte Medienwelt anzupassen. 
Es ist klar, einiges hat sich verändert in dem Kosmos, in dem sich auch der öffentlich-rechtliche immer wieder neu verorten muss. 
Deswegen ist es auch selbstverständlich für mich, dass auch der medienrechtliche Auftrag immer mal wieder stellenweise angepasst werden kann und muss. 
Wir haben hier eher mit einer Auftragsschärfung und Konkretisierungen zu tun, genau so hat es Minister Schrödter ja aber auch beschrieben.  
Wir als SSW sagen: es ist eigentlich zeitgemäß, sich darüber auszutauschen, ob gewisse Spartensender und Hörfunkkanäle reduziert werden könnten, ob man Kooperationen stärken sollte oder wie man mit presseähnlichen Erzeugnissen und einer eventuellen Konkurrenz zu privaten Verlagen umgeht. 
Onlineangebote sind dazu gekommen und On-Demand-Streaming ist für die meisten Menschen zu einer Selbstverständlichkeit geworden. 
Viele der Anliegen im Siebten Medienänderugsstaatsvertrag können wir grundsätzlich verstehen. 
Einige Widersprüche haben sich für uns auch in der Anhörung allerdings nicht ganz auflösen lassen. 
Das war zum einen der Punkt der Presseähnlichkeit, der uns etwas konträr scheint zum gleichzeitigen Anspruch, die regionale Berichterstattung zu stärken. 
Es wurde recht deutlich von mehreren Seiten darauf hingewiesen, dass Sie Gefahr laufen, mit diesem Medienänderungsstaatsvertrag Debattenräume einzugrenzen und so eine vielseitige Debattenkultur zu erschweren. Bei den Gefahren, die wir auch in unseren Debatten im politischen Raum so häufig benennen – Fake News, Alternative Fakten, mangelnde Medienkompetenz – müssten bestimmte Angebote eigentlich eher ausgebaut werden, anstatt ihre Räume zu begrenzen. 
Gerade die öffentlich-rechtlichen sollten aus Sicht des SSW unsere Bürgerinnen und Bürger dazu befähigen, am freien Diskurs, an der freien Debatte teilzuhaben. Menschen müssen sich dafür entsprechend informieren können.
Vielfalt und auch Meinungsvielfalt über die öffentlich-rechtlichen Sender darzustellen lässt sich nicht damit vereinbaren, ganze Sender und Programme perspektivisch einzusparen. Diese Rechnung geht nicht auf. Ich denke da an Formate wie „funk“ als online Angebot oder ZDF NEO als Sender, der insbesondere junge Menschen erreicht. Hier hat mich in der Anhörung überzeugt, dass eine vorschnelle Umstellung auf Streamingdienste nicht zielführend ist. Der Marktanteil dieser Programme wird oft unterschätzt. ZDF NEO überschritt erst im Mai dieses Jahres die Rekordmarke von 3%. Um die junge Generation an Bord zu behalten, müssten wir hier mehr Ruhe walten lassen.
Zum anderen hat mich der kurz angerissene Aspekt „Minderheiten“ leider etwas entmutigt. Ich habe es mir angewöhnt, Minderheiteninteressen in medienpolitischen Zusammenhängen auch und besonders dann zu thematisieren, wenn andere es als unpassend empfinden, weil sich so direkt erst einmal nichts ändert. 
Und so habe ich auch dieses Mal die Anzuhörenden gefragt, welche Auswirkungen der Siebte Medienänderungsstaatsvertrag auf Minderheiten, insbesondere die nationalen Minderheiten, haben könnte. 
Von gewerkschaftlicher Seite äußerte man sich klar und deutlich. Man könne keinerlei Vorteile für Minderheiten erkennen. 
Diesen Satz möchte ich gerne so stehen lassen. 
Umso überraschender für mich: der NDR urteilte schlicht, der Sender mache ja bereits viel für die nationalen Minderheiten. Ich kann Ihnen sagen, die Minderheitenorganisationen sehen das anders. 
Das bedeutet für mich: es kann mit den angekündigten Sparmaßnahmen nur schlechter werden. 
Es ist doch so: bisher ist nicht klar, was genau begrenzt werden wird. Allerdings werden Programme mit dem Änderungsstaatsvertrag weggespart werden müssen. Und das obwohl bisher vernachlässigte Zielgruppen eigentlich mehr adressiert werden müssten. 
Es wird für Sie von daher wahrscheinlich nicht überraschend kommen, wir als SSW können dem Siebten Medienänderungsvertrag so nicht zustimmen, wir werden uns enthalten.

 

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