Rede · 25.04.2013 Wohnraumversorgung

In Schleswig-Holstein bestehen teilweise erhebliche regionale Unterschiede. Da ist es gut, dass der Innenminister das auch für den Wohnungsbereich gleich zu Beginn seines ausführlichen Berichtes betont. Die regionalen Rahmenbedingungen unterschieden sich teilweise beträchtlich. Tatsächlich haben wir Regionen mit Leerstand und andere, wie den Hamburger Rand oder die Inseln, wo Arbeitgeber ihre Beschäftigten verlieren, weil es vor Ort keinen bezahlbaren Wohnraum gibt. In beiden Fällen besteht, das möchte ich ausdrücklich betonen, Handlungsbedarf.
Der Minister betont, dass er das weitere Auseinanderdriften des Landes aufhalten möchte. Im Bericht heißt es dazu, dass „Entwicklungen, die regionale Unterschiede verstärken, möglichst entgegenzuwirken“ seien (Seite 7). Das ist das richtige Signal.
Die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner können aktuell die ganze Bandbreite der Wohnangebote nutzen; allerdings nicht immer am gewünschten Ort. Viele Initiativen sind von unten gewachsen, weil Mieter und Eigentümer neue Formen des Zusammenlebens selbst schaffen wollten. In Husum ist in den letzten Tagen der Startschuss für das Trommelberg-Projekt gefallen, wo behinderte und nicht-behinderte Mieter und Eigentümer auf dem Gelände einer ehemaligen Schule eine neue Nachbarschaft mit vielen Gemeinschaftsflächen und Gemeinschaftsräumen gründen wollen. Dem individuellen Wohnen haben die Trommelberger eine Absage erteilt, weil es für sie zu abgeschottet und anonym ist und darum keine Möglichkeiten der Begegnung bietet und gegenseitige Unterstützung sogar verhindert. Die Trommelberger wollen ausdrücklich zusammen wohnen und zusammen leben. Die Initiatoren brauchten dafür einen langen Atem, um dicke Bretter in der Kommunalpolitik zu durchbohren, die mit diesem innovativen Konzept zunächst in Teilen nicht viel anfangen konnte. Die Anstrengungen haben sich aber ausgezahlt. Inzwischen ist auch den letzen Politikern in der Stadt nämlich auch aufgefallen, dass sie mit so einem Projekt einen echten sozialen Mehrwert einfahren konnen.
Das Land kann in solchen und ähnlichen Fällen, und an dieser Stelle begrüße ich ausdrücklich die Klarheit des vorgelegten Berichts, nur mittelbar eingreifen. Das Innenministerium kann Vorgaben machen und flankierende Initiativen ergreifen. Es muss aber weiterhin viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Aber ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt. Ein intaktes Wohnumfeld ist nicht nur ein Beitrag zur Zufriedenheit Einzelner, sondern ist ein Gewinn für die gesamte Stadt. Allerdings warne ich in diesem Zusammenhang, den Begriff der „bedarfsgerechten Stadtentwicklungspolitik“ (Seite 20) überzustrapazieren. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, wie dramatisch sich die Wohnbedarfe geändert haben: kleine, behindertengerecht ausgestattete Wohnungen sind mehr denn je gefragt. Dazu kommen Wohnungen für Alleinerziehende, Alleinlebende und bezahlbarer Wohnraum für Schüler und Studenten. Die klassische, großzügige Familienwohnung scheint dagegen auszusterben. Und gerade die wurde noch vor wenigen Jahren als Spitze des Bedarfs ausgemacht.
Angesichts der rasanten Entwicklung in einem Bereich, der schon vom Wort her immobil, also unbeweglich, ist, sind neue, innovative Konzepte gefragt; also sollten Studentenwohnungen, die wir dringend brauchen, weil Schleswig-Holstein deutlich unter dem Bundesschnitt liegt, sich in wenigen Jahren ohne großen Aufwand zu Zweipersonen-Wohnungen umgestalten lassen können. Das wäre ein nachhaltiger Beitrag zur Wohnungsversorgung und sollte bei den runden Tischen, die es derzeit in den Unistädten gibt, thematisiert werden, damit wir nicht in ein paar Jahren viele leere kleine Ein-Zimmer-Apartments in Uni-Nähe haben.
Der Bericht zeigt gut, mit welcher Dynamik wir es zu tun haben. Die steigende Belastung durch Mieten, die immer einkommensstärkere Schichten erreicht, lässt in Zukunft viel mehr Bewegung auf den Wohnungsmarkt erwarten als das jetzt der Fall ist. Eltern werden aus Kostengründen in der nachelterlichen Phase aus der großen Familienwohnung oder dem Haus ausziehen und als Senioren noch einmal in eine seniorengerechte Wohnung umziehen. So wird die soziale Realität aussehen, nach denen sich der Wohnungsmarkt zu richten hat.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die enormen Leistungen der Genossenschaften hinweisen. Diese Selbsthilfeorganisationen bieten sich in dieser dynamischen Situation als Problemlöser geradezu an. Die Genossenschaften haben nämlich ihr Ohr ganz dicht bei ihren Mitgliedern und bieten bereits jetzt angemessenen Wohnraum für verschiedene Lebensphasen an, ohne dass die Menschen ihr Quartier verlassen müssen. Die Genossenschaften haben sehr viele Wohnungen gebaut und gehören zu den Akteuren auf dem Markt, die innovativen und integrativen Konzepten eine Chance geben, gerade weil ihnen die Quartiersentwicklung am Herzen liegt. Ihre Bevorzugung bei der Privatisierung kommunaler Wohnbestände ist richtig und sollte beibehalten bleiben. Für selbstverwaltete Wohnprojekte bietet sich das Genossenschaftsmodell geradezu an. Aus diesem Grund wünsche ich mir, dass die Landesregierung für dieses Modell noch offensiver wirbt, damit mehr Menschen davon Kenntnis erhalten und dessen Vorzüge jenseits des individuellen Eigenheimbaus nutzen können. Die angekündigten Justierungen der Fördermaßnahmen für neue Wohnprojekte sind der richtige Weg.
Schleswig-Holstein hat eine lange und starke genossenschaftliche Tradition, der wir uns verpflichtet fühlen. Daran sollten wir bei der Wohnraumentwicklung anknüpfen.

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