Rede · 22.01.2020 Wohnungssituation der Schlachthofmitarbeiter spürbar verbessern!

Da reicht keine Teilnahme an einer Arbeitsgruppe oder die Verteilung von Flugblättern. Hier muss der Arbeitsschutz noch eine Schippe drauflegen.

Flemming Meyer

Flemming Meyer zu TOP 10 - Arbeits- und Gesundheitsschutz in Schleswig-Holstein (Drs. 19/1394 und 19/1756)

Vorab einen herzlichen Dank für die guten und umfassenden Fragen. Die Kontrolle von Strukturen ist schließlich eine der vornehmsten Aufgaben der Opposition; vor allem, wenn sie dabei so manches Defizit im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu Tage fördern. 

Mir war vorab nicht bewusst, dass 76 Vollzeitäquivalente über 79.000 Betriebsstätten in Schleswig-Holstein kontrollieren sollen. Ich wusste auch nicht, dass nur drei Standorte dafür zuständig sind - übrigens kein einziger im Landesteil Schleswig - so dass allein der Aufwand  für die Fahrten nicht unerheblich sein kann. Tatsächlich wurden 1.389 Betriebsstätten besucht, was über den Daumen gepeilt nicht einmal 2 % aller Betriebsstätten im Land ausmacht. Bei 98% der Betriebe würden Verstöße also gar nicht auffallen. Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass in diesen Betrieben schlechte Arbeitsbedingungen herrschen - aber, dass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, eben auch nicht. 
Die Antworten zeigen also: Die Kontrolle aller Vorschriften erfolgt nicht flächendeckend. Und das müssen die Beschäftigten dann mit ihrer Gesundheit bezahlen. Eigentlich sollte kein Beschäftigter durch die Arbeit an einer Maschine schwerhörig werden, kein einziger. Gehörschutz und Schallschutzmaßnahmen sollten heute technischer Standard sein. Zwischen 2013 und 2017 wurde aber 1123 Mal die Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit anerkannt. Ein unglaublicher Missstand, denn Schwerhörigkeit kommt nicht kurzfristig zustande, sondern ist das Ergebnis jahrelanger Verletzung gesetzlichen Vorschriften bzw. unzureichender Kontrolle. 

Neben den gesetzlichen Aufgaben gibt es aber auch Bereiche, die gesetzliche Lücken aufweisen; konkret nennt der Sozialminister in diesem Zusammenhang die zunehmende Verbreitung von Werkverträgen mit Sub-sub-Unternehmen. Dort erkennt die staatliche Arbeitsschutzbehörde zwar Missstände; zu dessen Beseitigung fehlt aber die gesetzliche Handhabe. Das betrifft vor allem die Schlachthöfe. Die Unterbringung der Beschäftigten aus Polen, Rumänien und Bulgarien waren bei allen Großschlachtereien in Schleswig-Holstein skandalös. Die Arbeiter wohnen in großen Wohngemeinschaften ohne Privatsphäre oder Mindeststandards für Bad und WC. So lobenswert die Bemühungen der Landesregierung in diesem Bereich auch sind; über die Erstellung eines Flyers ist man noch nicht hinaus gekommen. 

Bislang wurde noch kein einziger Verantwortlicher für Mietwucher zur Rechenschaft gezogen, weil es keine gesetzliche Handhabe gibt. Die unhaltbaren Zustände sind inzwischen durch andere Schlagzeilen ein wenig ins Hintertreffen geraten. Aber die Antwort auf die Große Anfrage bringt noch einmal die ganze Hilflosigkeit des Staates gegenüber skrupellosen Unternehmen auf den Punkt. 

Auf dem Bau haben die Zustände dazu geführt, dass die Staatliche Arbeitsschutzbehörde wieder selbst die Kontrolle durchführt und es nicht allein der Berufsgenossenschaft überlässt. Ein ähnlicher Systemwechsel oder alternative Maßnahmen sind allerdings in den Schlachthöfen nicht zu erkennen. Hier besteht also noch erheblicher Handlungsbedarf. Ich erwarte vom Sozialminister umgehend, dass sich die Wohnungssituation der Schlachthofmitarbeiter spürbar verbessert. Da reicht keine Teilnahme an einer Arbeitsgruppe oder die Verteilung von Flugblättern. Hier muss der Arbeitsschutz noch eine Schippe drauflegen.

Gerade dort, wo Gewerkschaften oder Berufsgenossenschaften nicht zum Zuge kommen, ist die Arbeitsschutzbehörde oftmals die einzige wirksame Kontrolle und dementsprechend von  nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Beschäftigten. Ihre Kapazitäten sollten dementsprechend ausgebaut sein. Leider sind sie das aber nicht.

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