Rede · 07.05.2020 Zukünftige Herausforderungen durch Digitalisierung und demografischen Wandel sind extrem wichtige Themen
„Die Arbeit des Zukunftslabors muss endlich deutlich konkreter werden und auch konkrete Angaben zur Finanzierung dieser Modelle beinhalten.“
Lars Harms zu TOP 15+61 - Abschaffung des „Zukunftslabors zur Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme“ und Bericht über die Arbeit des Zukunftslabors zur Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme (Drs. 19/1800, 19/1823 (neu) und 19/2121)
Das Thema Zukunftslabor haben wir hier mehrfach diskutiert. Für den SSW war und bleibt dabei klar, dass wir ein großes Interesse an den Themen Bürgergeld, Grundeinkommen und Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme haben. Die Frage, wie wir den zukünftigen Herausforderungen durch Digitalisierung und demografischen Wandel begegnen, ist extrem wichtig. Deshalb bringen wir uns selbstverständlich konstruktiv in die Debatte ein. So zum Beispiel 2017, als auf unseren Antrag hin auch Sozialverbände an der Arbeit des Labors beteiligt wurden. Oder in der letzten Debatte zur Abschaffung des Gremiums, bei der wir mit unserem Antrag auf einen schriftlichen Bericht zu einer sauberen Diskussionsgrundlage beitragen wollten.
Diese Grundlage liegt heute vor. Zumindest theoretisch. Denn leider scheint es auch nach mehrjähriger Arbeit nicht möglich zu sein, auch nur eine konkrete Bewertung oder gar Empfehlung abzugeben. Eine klare Vorgabe war zum Beispiel, bestehende Modelle wie etwa in Finnland oder Italien genauer zu analysieren. Das ist natürlich sinnvoll. Denn aus den dortigen Erfolgen oder Fehlern lässt sich viel lernen. Doch laut Bericht konnte diese Schlussfolgerung bis heute „nicht vorgelegt werden“. Noch dazu wird im Bericht zumindest ehrlich formuliert, dass sich die Landesregierung und das beauftragte Forschungsinstitut überworfen haben. Wenn es mitten im Prozess noch ganz unterschiedliche Vorstellungen „über die Inhalte und Methoden der wissenschaftlichen Koordinierung des Projekts“ gab, lässt das schon tief blicken. Wenn wir dann noch auf die Tatsache schauen, dass wir hier und heute mit leeren Händen dastehen und an die verwendeten Haushaltsmittel denken, ist diese Geschichte wirklich mehr als ärgerlich.
Wir haben schon in der letzten Debatte zur Abschaffung des Zukunftslabors Verständnis für die Haltung der SPD geäußert. Und natürlich trägt auch dieser Bericht nicht wirklich dazu bei, an diesem Weg oder an diesem Format festzuhalten. Trotzdem halten wir es für falsch, die Flinte ins Korn zu werfen. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wir halten die Aufgabe der sozialen Sicherung in Zeiten eines zunehmend digitalisierten Arbeitsmarkts für unheimlich wichtig und für unaufschiebbar. Denn dieser und andere Trends warten nicht darauf, dass wir uns irgendwann geeignete Antworten zurechtgelegt haben. Wir müssen hier und heute gemeinsam nach Wegen suchen, um diese Herausforderungen zu meistern.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es tatsächlich gelingt, zu konkreten Modellen und konkreten Schritten zu kommen, die dann auf einer breiten Basis diskutiert werden können.
Natürlich braucht man hierfür theoretische Vorüberlegungen, Ländervergleiche oder Literaturstudien. Aber irgendwann müssen auch mal ganz konkrete Fragen diskutiert werden. Und wenn wir beispielsweise das Thema Grundeinkommen nehmen, zählt für uns dazu, welche konkreten Modelle denkbar sind und wer „legaler“ Bürger und damit anspruchsberechtigt ist und wer eben dann auch durchs Raster fällt und gar keine Leistungen mehr erhält. Oder welche Finanzierung denkbar ist und welche Leistungen im Gegenzug gestrichen werden sollen. Wenn Hartz-4-Leistungen, Wohngeld, Leistungen der Behindertenhilfe, Kindergeld, Bafög und/oder Leistungen der Jugendhilfe gestrichen werden, um ein Grundeinkommen zu finanzieren, dann kann es durchaus sein, dass ein bisher kollektiv und solidarisch getragenes Risiko auf einmal auf den Einzelnen abgewälzt wird und viele schlechter gestellt sind. Vor allem dann, wenn man nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten für ein Grundeinkommen zählt. All das muss aber vorher geklärt sein, um ein Modell wirklich in allen seinen Auswirkungen bewerten zu können.
Mir ist schon klar, dass man nicht jedes Wort aus einem Koalitionsvertrag auf die Goldwaage legt. Aber das mit dieser Idee verbundene, erklärte Ziel der Jamaika-Koalition, unser Land fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen und Existenzängsten von Bürgerinnen und Bürgern entgegen zu treten, teilen wir. Deshalb halten wir es für sinnvoll, wenn wir auch auf Landesebene weiter an der Erreichung dieses Ziels arbeiten. Dass die Landesregierung jetzt die Fortführung des Zukunftslabors mit neuer wissenschaftlicher Unterstützung prüft, können wir also durchaus mittragen. Diese Arbeit muss dann nur endlich deutlich konkreter werden und auch konkrete Angaben zur Finanzierung dieser Modelle beinhalten.