Rede · 22.05.2025 Bei der Medikamentenversorgung müssen wir dringend handeln!

„Bund und Länder müssen diese Branche viel stärker berücksichtigen und im Zweifel auch direkt fördern.“

Christian Dirschauer zu TOP 21 - Stärkung der Rahmenbedingungen für eine resiliente Arzneimittelversorgung in Schleswig-Holstein, Deutschland und Europa (Drs. 20/3048 und 20/3098)

Wir führen diese Debatte heute bekanntlich nicht zum ersten Mal. Und doch ist es leider weiterhin wichtig, dass das Thema Arzneimittelversorgung auf unserer Tagesordnung steht. Denn die verschiedenen Unsicherheitsfaktoren, wie etwa die Abwanderung von Produktionskapazitäten oder die Überregulierung in diesem Markt, nehmen eher zu als ab. Gleichzeitig steigt der Wettbewerbsdruck für die pharmazeutische Industrie in Europa weiter. Denn ein Teil der Globalisierungswahrheit ist nun mal, dass Konkurrenten aus Drittländern wie etwa Indien oder China oft vor weniger strengen Umwelt- und Sozialstandards stehen und damit deutlich günstiger produzieren. Weil es hier aber nicht um Heizdecken, sondern in Teilen sogar um überlebenswichtige Medikamente geht, können wir der antragstellenden FDP nur recht geben: Wir müssen hier wirklich dringend ins Handeln kommen!

Natürlich kann man es sich hier auf Landesebene leicht machen und auf andere zeigen. So hat es die Landesregierung zumindest schon im Herbst 2022 auf meine Kleine Anfrage zu Lieferengpässen bei Fiebersäften hin getan. Da hieß es schlicht, man sei nicht zuständig. Das muss man vielleicht noch nicht als hochproblematisch bewerten, wenn zumindest andere an der Lösung arbeiten. Doch leider scheint mir das Problembewusstsein insgesamt nicht so ausgeprägt wie nötig. Denn der damalige Weg über so genannte patientenindividuelle Rezepturarzneimittel, die Apotheken in Ausnahmefällen größere Spielräume eröffnen sollte, hat die bestehenden Engpässe weder flächendeckend noch dauerhaft behoben. Und leider hat eben auch das so genannte "Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ bis heute nicht den gewünschten Effekt. 
Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehen noch immer hunderte Präparate auf der Liste der von Lieferengpässen betroffenen Arzneimittel. Hierunter wichtige Antibiotika, aber auch Schmerzmittel oder etliche Arzneimittel für die Anwendung am Auge. Das deckt sich sicherlich mit der subjektiven Wahrnehmung vieler Kolleginnen und Kollegen hier im Saal. Ich höre zumindest seit Jahren von Betroffenen, dass für sie oder ihre Kinder wichtige Medikamente nicht verfügbar sind. Aber eine echte Strategie der Landesregierung kann ich bis heute nicht erkennen. In den entsprechenden FAQs zum Thema heißt es, ich zitiere: „Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern und die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu stärken. Es finden dazu regelmäßig Gespräche mit Akteuren der Pharmabranche statt.“ Und weiter: „Das Gesundheitsministerium beobachtet die Versorgungslage kontinuierlich und steht im Austausch mit anderen Länderbehörden und den Behörden des Bundes.“ Abschließend wird nochmal auf das Mittel der Ausnahmegenehmigung verwiesen, die durch das Landesamt für soziale Dienste gewährt wird, falls vom Gesundheitsministerium des Bundes ein Versorgungsmangel bekannt gegeben wurde.

Also wenn Sie mich fragen, dann klingt das nicht besonders tatkräftig oder zupackend. Gleichzeitig müssen wir aber doch leider miteinander feststellen, dass die Versorgungsprobleme in diesem Bereich fortbestehen. Sicher: Hier ist vor allem die Bundes- und EU-Ebene in der Pflicht. Aber nicht zuletzt, weil es um die Bevölkerung bei uns in Schleswig-Holstein geht, halten wir die Forderung nach einer Bundesratsinitiative für völlig legitim. Es ist im Interesse aller Länder, wenn wir nicht nur unsere Abhängigkeit von außereuropäischen Produzenten verringern, sondern auch bestehende Regelungen - etwa beim Thema Rabattierung - kritisch hinterfragen und wettbewerbsfähiger gestalten. Und nach meiner Auffassung müssen wir insbesondere mit Blick auf die Versorgungssituation von Kindern pragmatische Lösungen ermöglichen. Gerade hier müssen wir kleinliche Vorschriften, die die Entscheidungsfreiheit vor Ort einschränken, so schnell wie möglich beseitigen.

Abschließend möchte ich noch kurz auf das Thema Standortpolitik zu sprechen kommen: Das ist natürlich ein dickes Brett. Aber die Probleme um unsere Arzneimittelversorgung sind nun wirklich nicht neu. Und sie sind ernst. Vor diesem Hintergrund wundert mich sehr, dass weder Regierungen in Bund oder Ländern nennenswerte Erfolge vorweisen können, wenn es um die Ansiedlung pharmazeutischer Unternehmen oder das Halten der Produktion geht. Offenbar haben hier viele längst resigniert. Anders kann ich mir nicht erklären, warum man widerstandslos in Kauf nimmt, dass die wichtigsten Grundstoffe nicht einmal mehr in Europa produziert werden. Hier bleiben wir vom SSW bei unserer Forderung nach einer deutlich aktiveren Wirtschaftspolitik. Bund und Länder müssen diese Branche viel stärker berücksichtigen und im Zweifel auch direkt fördern. Denn letztlich reden wir hier über konkrete Investitionen in die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Und die brauchen wir.
 

Weitere Artikel

Pressemitteilung · 21.05.2025 Wir dürfen nicht an der Zukunftsfähigkeit des Landes sägen!

Zur heutigen Regierungserklärung zur Umsetzung des Urteils des Landesverfassungsgerichts zum Landeshaushalt 2024 erklärt der Vorsitzende und finanzpolitische Sprecher der SSW-Landtagsfraktion, Christian Dirschauer:

Weiterlesen

Rede · 22.05.2025 Im Justizbereich scheint es überall zu brennen

„Ist die Justiz in Schleswig-Holstein also am Limit? …Wir wissen es nicht.“

Weiterlesen

Rede · 22.05.2025 Der Handlungsplan liefert keine erkennbaren Erfolge

„Die neue Strukturierung der Lehrkräftebildung durch den Handlungsplan mit den drei Phasen der Lehrkräftebildung, hat bisher noch keine erkennbaren Erfolge geliefert. Vielleicht ist es dafür auch einfach zu früh, aber wovon man sich eigentlich mehr von versprochen hätte, ist die „Allianz für Lehrkräftebildung“. Immerhin ist dies eine teure Maßnahme, die die Lehrkräftebildung optimieren sollte.“

Weiterlesen