Rede · 27.10.2021 Der Artenschutz muss uns etwas wert sein
„Wenn wir nicht gewillt sind, Geld in die Hand zu nehmen, nützen alle Strategien nichts.“
Christian Dirschauer zu TOP 20 - Weiterentwicklung des Gänsemanagements (Drs. 19/3322)
Heute Vormittag haben wir über die Landesstrategie zur Sicherung der biologischen Vielfalt debattiert. Und der Bericht dazu war in seiner Grundaussage eindeutig: Der Rückgang bestimmter Arten sowie das Artensterben, gekoppelt mit dem Verlust von Lebensräumen wächst weiter an. Und wir sind uns einig, dass eine Trendwende herbeigeführt werden muss. So weit so richtig.
Aber, wir haben auf der anderen Seite, auch andere Entwicklungen zu verzeichnen. Also positive und wachsende Bestände von Arten, die lange Zeit europaweit und auch bei uns im Land in ihren Populationen bedroht waren. Und da bin ich jetzt beim vorliegenden Antrag.
Wer sich die Entwicklung der Nonnen- und Grauganspopulationen in den letzten 30 Jahren ansieht, stellt fest, dass die Bestände enorm gewachsen sind. So sind die Bestände der bei uns durchziehenden und heimischen Gänse – insbesondere Nonnen- und Graugänse – innerhalb der letzten 30 Jahre massiv gestiegen. Beispielsweise verzeichneten wir zu Beginn der 1990‘er Jahre rund 50.000 Nonnengänse bei uns im Land. Heute sind es rund zwei Millionen. Nur um einmal eine Vorstellung zu bekommen mit welchen Zuwachsraten wir es zu tun haben.
Aber diese Entwicklungen bei den Nonnen- und Graugänsen kommen nicht von ungefähr. Es sind mehrere Faktoren, die diese Zuwächse ermöglicht haben. Es sind Arten, die durch die Europäische Vogelschutzrichtlinie geschützt sind und damit nur bedingt jagdbar sind. Zum anderen haben wir in Schleswig-Holstein beispielsweise dafür gesorgt, dass die Tiere entsprechende Rast- und Futterplätze bekommen. Das heißt, durch Vertragsnaturschutz und Ausgleich für Schäden durch Gänsefraß hat das Land dazu beigetragen, dass diese Bestände sich so entwickeln konnten.
Der SSW hat diese Maßnahmen immer unterstützt. Zum einen, um den bedrohten Arten gerecht zu werden, aber auch damit die Landwirte entsprechend entschädigt werden. Und um eine Akzeptanz für solche Artenschutzmaßnahmen in der Bevölkerung zu erreichen. Das Land hat sich das jährlich etwas kosten lassen. So werden mittlerweile rund drei Millionen Euro jährlich ausgegeben für Entschädigungen.
Aber mit der Zunahme der Populationen wuchs auch der Druck, mehr zu tun, sozusagen ein Gänsemanagement auf den Weg zu bringen, um den Herausforderungen gerecht zu werden.
Doch leider stellen wir in den letzten Jahren vermehrt fest, dass die Gänsebestände so weit angewachsen sind, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen. Ob wir nun Duldungs- oder Nichtduldungsgebiete haben, bestimmte Kulissen mit oder ohne Vertragsnaturschutz, Grünland oder Ackerland, alles relevante Dinge, die es dem Landwirt ermöglichen, Ausgleichsgelder für Verluste zu beantragen oder eben auch nicht. Das Problem ist heute, dass die Populationen mittlerweile so groß sind, dass die Tiere sich eben nicht mehr so lenken lassen und auf bestimmte Flächen ausweichen, wie der Mensch sich das erhofft. Und damit entsteht gerade in der betroffenen Landwirtschaft eine große Frustration und Existenzsangst. Flächen die kahlgefressen und verkotet sind, sind für die landwirtschaftliche Produktion dann nicht mehr brauchbar.
Es haben stets Gespräche von Seiten der Politik mit der Landwirtschaft und Vertreter*innen von Umweltorganisationen stattgefunden. Auch eine Delegation des Agrarausschusses hat sich in diesem Jahr vor Ort mit dem Thema befasst. Das heißt, das Problem ist erkannt, jetzt geht es darum, weitere Lösungen zu finden, die beide Seiten zufriedenstellt.
Da kommt der vorliegende Antrag der Koalition ganz recht, um das Problem aufzugreifen. Und die Forderungen sind soweit auch nicht schädlich, so dass wir als SSW den Antrag auch unterstützen werden. Es stellt sich meines Erachtens aber die Frage, wie sehr die Forderungen zur Konfliktbereinigung wirklich beitragen werden. Besonders begrüßen wir, dass die finanzielle Unterstützung bei Gänsefraßschäden weiter ausgebaut werden soll. Minister Albrecht sprach hierbei schon von zwei bis drei Millionen Euro extra. Das halten wir für gut und richtig, aber es muss dann auch in den Gebieten ankommen, die derzeit noch nicht berechtigt sind. Soll heißen, die Kulisse für Antragsberechtigte muss wohl deutlich erweitert werden.
Da sind wir dann wieder bei dem Punkt, ebenso wie beim Bericht zur biologischen Vielfalt, was ist uns der Artenschutz letztendlich wert? Wenn wir nicht gewillt sind, Geld in die Hand zu nehmen, nützen alle Strategien nichts.