Rede · 23.02.2022 Die ambulante psychologische Versorgung von Kindern und Jugendlichen ist mangelhaft

„Das Wichtigste ist jetzt, die Schülerinnen und Schüler psychisch zu stärken.“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 21+31+32 - Anträge zur Beschulung von Schülerinnen und Schülern in Coronabedingter Situation (Drs. 19/3629, 19/3648, 19/3649)
    
Die Expertenanhörung des Sozialausschusses zum Thema Umgang mit den Einschränkungen und anstehenden Lockerungen in der Pandemie hat mir und meinen Kollegen wirklich auch noch einmal zu denken gegeben. 
Was bei vielen sicherlich als hoffnungsvolle Botschaft angekommen ist, ist dass die anwesenden Expertinnen und Experten klar zu Lockerungen geraten haben. Das hängt mit der im Bundesvergleich höheren Impfbereitschaft in Schleswig-Holstein zusammen, mit unseren Krankenhauskapazitäten und mit der dominierenden Omikronvariante. 

Wir haben ja schon in anderen Zusammenhängen von Corona als eine Art Vergrößerungsglas von Versorgungsproblemen gesprochen, aber Professorin Jauch-Chara hat diese Formulierung für die nicht ausreichende ambulante psychologische Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen benutzt. Und sie hat auch ausgeführt, wie hoch die psychischen Belastungen sind, die gerade durch Isolation entstehen. 
Die Erlebnisse, die wir in unserer Kindheit und Jugend machen, wirken sich auf unser weiteres Leben aus und wir haben nun eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen, die einen Umgang mit den Nachwirkungen einer Pandemie finden müssen.  
Kinder und Jugendliche mussten auch aus Sicht des SSW vor Krankheitsverläufen geschützt werden, aber mittlerweile müssen wir sie auch vor den Belastungen schützen, die durch Pandemiemaßnahmen entstanden sind und ihre gesundheitliche Entwicklung beeinflusst haben. 
Und damit mein ich Folgen wie Ängste und Stress uns nicht zuletzt destruktiven Bewältigungsstrategien beim Umgang mit Stress, die sich im Erwachsenenalter fortsetzen. 
Psychische Belastungen können zu psychischen Erkrankungen führen. 
Dem müssen wir etwas entgegensetzen! 

Unsere Lehrkräfte haben in den letzten Jahren großartiges geleistet. Aber auch sie brauchen dringend weitere Unterstützung. 
Das Aufholen nach Corona endet nicht mit dem Schuljahr 2021/2022. Bundesprogramme wie „Aufholen nach Corona“ werden ausgeweitet werden müssen. Und dabei ist für uns als SSW klar, dass der letzte Satz des Koalitionsantrags, ich spreche von der Drucksache 19/3648, dem Antrag vorangestellt sein müsste. Und zwar als Vorgabe, nicht als Prüfauftrag. Uns muss klar sein, dass die Auswirkungen der Pandemie sich nicht einfach auflösen, wenn Einschränkungen aufgehoben werden.
Lernrückstände sollen aufgeholt werden, ja. Aber das Wichtigste ist jetzt, die Schülerinnen und Schüler psychisch zu stärken. 

Bereits in der Küstenkoalition einte dieses Anliegen SPD, Grüne und SSW. Wir haben die Stellen des Schulpsychologischen Dienstes verdoppelt. Das war ein großer Schritt. 
Aber wir hören eben doch immer wieder aus den Schulen, dass es an psychologischer Unterstützung mangelt. 
Martin Habersaat hat die Zahlen ja zum Glück vor einem halben Jahr noch einmal abgefragt. 
An den berufsbildenden Schulen ist eine Planstelle im Landesdurchschnitt rechnerisch für 4.828 Schülerinnen und Schüler, für 258 Vollzeitlehrereinheiten sowie 2 Schulen zuständig.
An den allgemeinbildenden Schulen und Förderzentren ist eine Planstelle durchschnittlich rechnerisch für 8.575 Schülerinnen und Schüler, für 628 Vollzeitlehrereinheiten sowie 24 Schulen zuständig.
Was unsere Schülerinnen und Schüler aber brauchen sind feste und zuverlässige Beratungsangebote vor Ort an den Schulen! 

Bei allen anstehenden Lockerungen und Wegen aus der Pandemie ist es für den SSW unablässig, dass die Stimmen der Kinder und Jugendlichen ernst genommen und gehört werden. Wir haben auch deswegen den Jungen Rat für die Expertenanhörung benannt und bekommen immer wieder besonders gute Hinweise von unseren Schülervertretungen. Hinweise wie, dass es nicht sein kann, dass erst Chöre wieder proben dürfen, bevor im Musikunterricht gesungen werden darf. Oder auch Hinweise wie, dass es die Schulen sind, die am längsten von den Maßnahmen gegen Corona betroffen sind. 

Und deswegen möchte ich auch heute darauf hinweisen, dass viele Maßnahmen nur getroffen werden mussten, weil sich nicht ausreichend Erwachsene haben impfen lassen. In diesem Sinne möchte ich Sie bitten: schützen Sie Kinder und Jugendliche, lassen Sie sich impfen!

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