Rede · 22.03.2018 Die Minderheiten gehören ins Grundgesetz!

Lars Harms zu TOP 25 - Minderheiten und Volksgruppen in das Grundgesetz aufnehmen

„Die Aufnahme von Minderheiten und Volksgruppen ins Grundgesetz wäre in Zeiten von Separatismus und ethnischen Konflikten in Europa ein starkes Signal.“

Im neuen Koalitionsvertrag auf Bundesebene haben die Koalitionspartner festgelegt, dass das Grundgesetz in bestimmten Bereichen angepasst werden soll. Leider gibt es dort keine Absprache, dass auch die Minderheiten und Volksgruppen mit in das Grundgesetz aufgenommen werden sollen. Bezüglich der Minderheiten und Volksgruppen finden sich nur sehr wenige unverbindliche Statements im Koalitionsvertrag. Deshalb ist es von Nöten, hier wieder eine Diskussion zugunsten der Aufnahme der Minderheiten und Volksgruppen in das Grundgesetz anzuschieben.

Die Aufnahme der Minderheiten und Volksgruppen würde der deutschen Verfassungstradition entsprechen, die nur durch das Grundgesetz bisher unterbrochen wurde. Das hat auch schon die Gemeinsame Verfassungskommission des Bundestages und des Bundesrates Anfang der 90er Jahre so gesehen und die Aufnahme der Minderheiten und Volksgruppen in das Grundgesetz vorgeschlagen. Damals wurde dieser Vorschlag gerade auch aus Schleswig-Holstein unterstützt. In Zeiten von Separatismus und ethnischen Konflikten in Europa, wäre es ein starkes Signal, wenn Deutschland gerade in dieser Situation deutlich machen würde, dass Minderheitenrechte eben auch zur Konfliktbewältigung beitragen können und dass Minderheitenrechte eben nicht gleichbedeutend mit Abschottung oder Abgrenzung der Minderheiten zur Mehrheitsbevölkerung sind, sondern im Gegensatz dazu, ein Zeichen der Gleichberechtigung und des Zusammenhalts einer Gesellschaft.

Ohnehin hätte eine solche Maßnahme auch eine große Bedeutung für die Mehrheitsbevölkerung, weil sich ja auch deutsche Minderheiten im Ausland, insbesondere in Ost- und Südost-Europa, für ihre Minderheitenrechte einsetzen und auch der deutsche Staat, die friedliche Weiterentwicklung der Minderheitenrechte für die eigenen Minderheiten unterstützt. Was liegt da näher, als auch selbst einen guten Schritt voran zu gehen und den hiesigen Minderheiten und Volksgruppen das zu gewähren, was man sich auch für deutschen Minderheiten im Ausland wünscht. 

Wir haben bewusst darauf verzichtet, im Antrag einen Formulierungsvorschlag zu machen. Unsere Idealvorstellung wäre es natürlich, eine Formulierung wie in unserer Landesverfassung zu nehmen, die den Bund auch zum Schutz und zur Förderung verpflichten würde. Allerdings haben die Beratungen Anfang der 90er Jahre einen Formulierungsvorschlag auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner vorgesehen: eine so genannte Achtensklausel. Und selbst eine solche Achtensklausel hätte einen großen Wert für die Minderheiten und Volksgruppen. Würde man eng am Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission von 1993 formulieren, zum Beispiel: „Der Staat achtet die Identität der dänischen Minderheit, der friesischen Volksgruppe, des sorbischen Volkes und der Minderheit der deutschen Sinti und Roma.“, dann würde sich hieraus ein besonderer Schutzmechanismus ergeben. Es wäre dann nicht mehr möglich, dass der Staat bewusst oder unbewusst Maßnahmen durchführt oder Regelungen erlässt, die diesem Gruppenrecht entgegenstehen würden.

Man kann das ganz gut an einer Diskussion von vor einigen Wochen illustrieren. Die AfD hat im Bundestag einen Antrag zur Änderung des Grundgesetzes eingebracht mit dem Text: „Die Landessprache in der Bundesrepublik Deutschland ist Deutsch.“ Explizit ohne Ausnahme für Minderheitensprachen, wie es zum Beispiel die Bundesverfassung in Österreich vorsieht. Das heißt, dass nach dieser Formulierung alle landesgesetzlichen Regelungen zur Förderung von Regional- und Minderheitensprachen gesetzeswidrig werden würden. Wir würden hier minderheiten- und sprachenpolitisch auf Null gesetzt. Mit der Aufnahme der Minderheiten und Volksgruppen in das Grundgesetz, wäre dies aber unmöglich. Man erkennt also den absichernden Charakter einer solchen Bestimmung. Und der würde sich natürlich auch auf einzelgesetzliche Regelungen auf Bundes- und Landesebene beziehen.

Sie sehen also, es geht hier auch darum, die Minderheitenpolitik auf Bundesebene weiterzuentwickeln und verbindlicher zu machen. Die Gelegenheit ist günstig, da das Grundgesetz ohnehin durch die große Koalition geändert werden soll. Deshalb sollten wir rechtzeitig eine Bundesratsinitiative starten, um die Minderheiten und Volksgruppen in das Grundgesetz aufzunehmen.

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