Rede · 17.03.2010 Entschließung Leiharbeit

Leiharbeit als Instrument zur Abdeckung kurzfristiger Nachfragespitzen kann sicher ein sinnvolles Instrument der Beschäftigungspolitik von Unternehmen sein. Die Betonung liegt hier aber eindeutig auf dem Wort „kann“. Denn leider wird diese Beschäftigungsform viel zu häufig dazu genutzt, um dauerhaft auf eine Gruppe von billigen Arbeitskräften zuzugreifen. Die Folge dieses Missbrauchs sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse für einen zunehmenden Teil der Erwerbsbevölkerung und damit eine wachsende Gruppe der so genannten „Working poor“. Also derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die trotz einer Vollzeittätigkeit ein verfügbares Einkommen haben, das sie unter der Armutsgrenze bleiben lässt. Der SSW kann den Antrag der Kollegen der SPD für einen effektiveren und sozialeren gesetzlichen Rahmen für diese atypische Beschäftigungsform daher nur begrüßen. Auch wenn wir nicht vergessen wollen, dass die Bundes-SPD maßgeblich an den Reformen des Sozialwesens beteiligt war, die den Missbrauch der Leiharbeit erst ermöglicht haben.

Doch nicht nur die immer weiter wachsende Zahl der Leih- und Zeitarbeiter ohne ausreichende soziale Absicherung macht eine effektivere Reglementierung notwendig. Die Tarifverträge in dieser Branche eröffnen die Möglichkeit des Missbrauchs und verhindern somit die ursprünglich gewollte „Brückenfunktion“ der Leiharbeit in reguläre Beschäftigung auf dem 1. Arbeitsmarkt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Sektor wird hierdurch langfristig die Chance auf eine unbefristete und fair entlohnte Arbeit genommen. Einfach ungerechte Leiharbeitskarrieren sind oft die Folge. In vielen Betrieben verrichtet die Stammbelegschaft und die Gruppe der Leiharbeiter wie selbstverständlich die gleiche Arbeit für deutlich unterschiedliche Löhne. Mit Blick auf die psychischen Folgen einer solchen Karriere muss einem eines klar sein: Als so genannter „Fremdmitarbeiter“ wird man mit Sicherheit nicht in gleichem Maße in die soziale Struktur des Unternehmens eingebunden, und man erfährt ganz sicher nicht selten eine geringere Wertschätzung, als reguläre Mitarbeiter.

Durch die Aufhebung des Synchronisationsverbots und die schrittweise Verlängerung der Befristungszeit hat sich die Situation der Leih- und Zeitarbeiter trotz des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes seit 2004 verschlechtert. Gleichbehandlung und Gleichbezahlung werden oft systematisch und mit den genannten Folgen umgangen, und die Begriffe verkommen zu leeren Worthülsen.

Eigentlich klingt die Forderung, den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit zu zahlen – unabhängig von der Beschäftigungsform und vom Geschlecht – doch völlig banal und überflüssig. Doch hier auf Veränderungen hinzuarbeiten und die in der heutigen Form völlig inakzeptablen Rahmenbedingungen für die Leiharbeit gesetzlich zu verbessern, ist und bleibt unsere Aufgabe. Dies gilt für den Grundsatz „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“ genauso, wie für die nötigen Veränderungen im Bereich der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung. Die Praxis, dass die verleihenden Subunternehmen häufig nur auf dem Papier bestehen und einzig dem Zweck dienen, Mitarbeiter mit geringeren Ansprüchen an den Mutterkonzern zu entleihen, muss stark begrenzt werden.

Der Vergleich mit der Situation von Leiharbeitern in Skandinavien zeigt, dass den deutschen Kollegen neben einem deutlich geringeren Durchschnittseinkommen, nicht annähernd die gleichen Qualifizierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden. Die Investition in Weiterbildung, und der damit gewollte Qualifizierungseffekt der Leiharbeiter ist im heutigen System mit seinen Fehlanreizen leider viel zu selten zu erkennen. Viele bleiben deshalb langfristig in der Gruppe der Geringverdiener, was nicht nur einen negativen Effekt auf die Arbeitsmoral und das Selbstwertgefühl der Unterbezahlten hat. Vor allem die Armut im Alter ist die unvermeidbare Folge und das Los vieler Menschen, die heute Leiharbeit verrichten. Schon allein diese Tatsache muss uns doch als Handlungsanreiz genügen.

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