Rede · 16.06.2010 Europäische Betriebsräte-Richtlinie

Die Gewerkschaften sind dafür, die Arbeitgeber auch, zumindest lobte BDA-Präsidiumsmitglied Siegfried Russwurm die Europäischen Betriebsräte als Erfolgsgeschichte. Eigentlich ist die Bundesregierung auch dafür. Trotzdem ist seit dem Regierungswechsel keine Aktivität zur Umsetzung der neuen Europäischen Betriebsräte-Richtlinie zu erkennen. Die letzte Pressemitteilung aus dem Bundesarbeitsministerium zur Richtlinie stammt aus dem letzten Jahr, genauer gesagt aus dem Juni 2009. Seitdem herrscht Funkstille und man kann nur raten, was hinter den Kulissen vor sich geht.

Mal wieder zeigt sich damit der selbst erklärte EU-Primus Deutschland als Schlusslicht, was die Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht betrifft.

Die neue Richtlinie wurde auf den Weg gebracht, gerade weil immer mehr Unternehmen global agieren und darum eine grenzüberschreitende Kooperation der Arbeitnehmer immer drängender wird. Viele Konzerne nutzen Umstrukturierung, um sich dann gleichzeitig allzu kritischer Mitbestimmung zu entledigen. Solchen Machenschaften hat das EU-Parlament einen Riegel vorgeschoben und die Arbeit der Europäischen Betriebsräte, die es jetzt bereits gibt, zum Beispiel bei Philipps oder der Metro, erleichtert.

Dabei, das darf man bei allem Lob nicht vergessen, geht es nicht um Mitbestimmung, wie wir es bei deutschen Betriebsräten kennen, sondern um Information und Konsultation. Das Neue ist, dass die Richtlinie beides erstmals genau definiert und europaweit festlegt; übrigens auch für Unternehmen, deren Konzernzentrale sich außerhalb der EU befindet, zum Beispiel in den USA, aber in der EU mehr als 1.000 Beschäftigte haben.

Eine Befragung der Europäischen Betriebsräte ergab 2006, dass einige Länder, vor allem in Skandinavien sich sehr ernüchtert über die Informierung der Beschäftigten durch die Konzerne äußerten. Hier ist also noch viel zu tun.

Dennoch: Die Anerkennung der Gewerkschaften als Sachverständige ist als Meilenstein der Richtlinie zu werten. Die dazu nötige Schulung und die entsprechende Freistellung durch den Arbeitgeber wurde gleich mit in die Richtlinie aufgenommen, was von vielen Betriebsräten ausdrücklich gelobt wurde. Leider konnte sich die Gewerkschaften nicht durchsetzen, was die Hinzuziehung von außerbetrieblicher Expertise angeht und auch nicht, dass die Richtlinie bei Joint Ventures zum Zuge kommt.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat die Richtlinie trotzdem gelobt, weil endlich viele kann-Bestimmungen eindeutig und klar festgelegt worden sind. Das ist eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn in einigen Bereichen das geforderte Ziel nicht erreicht werden konnte. Das Fazit lautet: die Richtlinie erleichtert die Arbeit der Europäischen Betriebsräte und legt die Pflichten der Arbeitgeberseite klar fest.

Die Bundesregierung tut sich trotzdem schwer bei der Umsetzung. Das könnte an den Arbeitgeberverbänden liegen, die bereits bei den Verhandlungen stark auf die Bremse gestiegen waren. Zwar hatte die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände in seiner „euro-info“ noch im Oktober 2008 die Bundesregierung zur zügigen Umsetzung aufgefordert, doch scheint es einige Unternehmen zu geben, die noch die eine oder andere Änderungen im Unternehmensaufbau hinter sich bringen wollen, bevor die neue Richtlinie greift, und weiter bremsen

Daher ist es wenig verwunderlich, dass es keinerlei Zeichen seitens der Bundesregierung gibt, die Richtlinie deutlich vor dem letztmöglichen Termin am 5. Juni 2011 in nationales Recht umzusetzen.

Darum ist der vorliegende Antrag zu begrüßen, weil er das Thema wiederbelebt. Es steht Schleswig-Holstein gut zu Gesicht, der Umsetzung Beine zu machen. Der SSW stimmt dem Antrag zu.

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