Rede · 10.11.2005 Keine Verlängerung der Restlaufzeiten der Atomkraftwerke

Es stellt sich immer wieder die Frage wer eigentlich in der Landesregierung das Sagen hat. Da meldet sich der Wirtschaftsminister kräftig zu Wort und verlangt Deutschland wieder zu strahlenden Landschaften zu machen und wir stellen erst einmal fest, dass dieser Vorschlag mal wieder mit niemandem abgestimmt war. Und dann liest man in der Zeitung: „Die SPD kocht vor Wut!“ und sie weist auf den Koalitionsvertrag hin. Da steht drin, dass die Landesre-gierung keine Initiative ergreift, um den Atomkonsens aufzukündigen.

Nun ist die Initiative durch den Wirtschaftsminister aber schon ergriffen worden und schwirrt durch Raum und Zeit. Da muss dann der Ministerpräsident, quasi in seiner Eigenschaft als gute Seele der Koalition, windelweich verkünden lassen: „Es gibt einen Koalitionsvertrag, und der ist maßgeblich für die Arbeit der schleswig-holsteinschen Landesregierung!“ Danach ist das Spiel aber noch nicht zu Ende, denn danach erhebt sich Herr Driftmann aus dem Dunkel der schwarzen Unternehmerschaft und fordert seinerseits die Aufkündigung des Atomkompromisses und wer hüpft da schnell einmal auf den Wagen und fordert den Atomausstieg gleich mit? Natürlich, unser Wirtschaftsminister Austermann. Ob nun ein Ministerpräsident die Wogen glätten will oder der kleinere rote Koalitionspartner etwas dagegen hat, ist eigentlich auch egal. Er macht was er will, irgendwie jeder macht was er will, aber keiner macht was er soll.

Wir haben einen Atomkompromiss. Und ich möchte eine Äußerung zitieren: „Der Atomaus-stieg ist Gesetz, der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland mit den hart umkämpften und fest vereinbarten Restlaufzeiten muss konsequent und verlässlich umgesetzt werden. Eine nachhaltige Energiezukunft basiert auf den drei Säulen: Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Energiesparen. Atomkraft gehört nicht dazu!“ Ende des Zitats meines geschätzten Kollegen Konrad Nabel. Besser kann man es kaum zusammenfassen. Auch nachdem ein Kernkraftwerk abgeschaltet ist, bedeutet dies nicht, dass hiermit riesige Arbeitsplatzverluste einhergehen müssen. Auch der Abbau und die Entsorgung jedes einzelnen Kraftwerkes werden hunderte von Menschen über mehr als ein bis zwei Jahrzehnte beschäftigen. Mit den entsprechenden Vorlaufzeiten ist dies eine Zeitspanne, die groß genug ist, um eine Zukunftsperspektive für die Betroffenen zu ermöglichen und alternative Energien im Land voranzubringen.

Das was wirklich Arbeitsplätze schafft und die Zukunft für uns sichert sind die erneuerbaren Energien. Sie sind sauber, dezentral und auch in den entferntesten Regionen auf unterschiedliche Art und Weise nutzbar. Das ist Fortschritt. Atomkraft ist Rückschritt.
Und wenn wir das wissen, stellt sich doch nur die Frage, was uns daran hindert, diese Energieformen für uns nutzbar zu machen und sogar wirtschaftliche Vorteile hieraus zu ziehen? Und hierzu hatte der Wirtschaftsminister ja durchaus einen guten Vorschlag, den wir ja auch schon in den vergangenen Jahren mehrfach hier im Landtag angesprochen haben: Der, der das Energienetz betreibt, soll auch die Kosten für die Verlegung des Netzes im Offshorebereich tragen.

Wir können feststellen, dass es in Bezug auf die Offshore-Nutzung von Windenergie zwei Hauptprobleme gibt, die die Wirtschaftlichkeit der Projekte tangieren. Erstens liegen unsere Projekte relativ weit draußen im Meer, was dazu führt, dass hier höhere Kosten als in anderen Ländern entstehen, die auch in Küstennähe Windparks zugelassen haben. An dieser Schraube will aber mit Recht keiner drehen, da die Interessen des Naturschutzes – speziell im National-park Wattenmeer – dem entgegenstehen. Der zweite beeinflussbare Bereich ist die Anbindung der Parks an das Netz. Die Seekabelverlegung verteuert die einzelnen Offshore-Projekte um ungefähr 20 bis 25%. In Großbritannien diskutiert man jetzt, die Kosten für den Netzanschluss von Offshore-Windparks auf die Allgemeinheit umzulegen und in Dänemark hat man eine Energieagentur gegründet, die sicherstellen soll, dass alle Nutzer einen offenen und gleichberechtigten Zugang zum staatlichen Netz haben sollen. Es bewegt sich also was und deshalb sollte man auch bei uns festlegen, dass die Energieunternehmen die Kosten für die Verlegung von Seekabeln tragen müssen und dieses dann auf die Verbraucher umgelegt wird. An Land handelt man ja auch nicht anders.

Deutschlandweit gibt es mittlerweile rund 140.000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien. Das sind 10.000 mehr als noch im letzten Jahr. Solche riesigen Steigerungsraten gibt es sonst kaum noch. An dieser Entwicklung sollten wir teilhaben und nicht alten gefährlichen Energieformen hinterher laufen. Dass die Atomkraft nicht mehr das Maß aller Dinge ist, zeigt auch ein anderer Vergleich. Die Kernkraft erzeugt seit Jahren konstant etwas weniger als 6% des Gesamtenergieverbrauchs. Die erneuerbaren Energien machen jederzeit 6,4 % dieser Leistung aus. Wer hätte das noch vor 4 oder 5 Jahren gedacht? Wir sind weiter als wir denken und Schleswig-Holstein darf hierbei die Zeichen der Zeit nicht übersehen. Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft – nicht der Kernenergie.

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