Rede · 14.12.2006 Kinderförderung wichtiger als Ehegattensplitting

Ehegattensplitting ist eine Subventionierung von einkommensstarken Ehepaaren, die überwiegend in den alten Bundesländern wohnen: 93% der Mittel fließen in die alten Bundesländer. 43% der Splitting-Profiteure haben überhaupt keine Kinder. Beide Daten stammen aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus 2005.

Auf diese Ungerechtigkeiten hat der SSW wiederholt hingewiesen und für die Abschaffung des Ehegattensplittings plädiert. Ehegattensplitting ist für Großverdiener nur ein zusätzlicher Steuerkniff. Haben Sie sich schon einmal die Mühe gemacht, wie viele Steuertipps es allein im Internet gibt für die Großverdiener, die mit einer Hausfrau verheiratet sind? Dutzende! Das Ehegattensplitting ist ein grandioses Steuergeschenk für Großverdiener. Darum muss es abgeschafft werden.

Ich plädiere dafür, innerhalb des Systems der Geldleistungen umzusteuern: weg mit dem Ehegattensplitting, her mit mehr Kindergeld! Wenn wir über Geldleistungen zur Unterstützung der Familien reden, dann kann es sich nur um gedeckeltes Kindergeld handeln. Der Staat stockt das Familieneinkommen nach der Anzahl der Kinder auf, wobei eine Einkommensgrenze Mitnahmeeffekte bei Spitzenverdienern begrenzt. Kindergeld kommt Eltern zu Gute, deren Kinder noch nicht auf eigenen Beinen stehen.

Der SSW steht für eine gerechte, moderne Familienpolitik, bei der jedes Kind, egal ob es aus der Flensburger Neustadt kommt oder in einer Villa mit Fördeblick wohnt, die gleichen Chancen bekommt. In Skandinavien wird die zweite Säule der Familienförderung, nämlich ein flächendeckendes, Angebot an Kinderbetreuung und Familienunterstützung, seit vielen Jahren den Geldleistungen vorgezogen. Die Vorteile liegen auf der Hand: leichte Erreichbarkeit für alle und gute Steuerungsmöglichkeiten. Ich denke, dass unserem Bildungssystem, inklusive der Frühförderung im Kindergarten die zusätzlichen Mittel gut bekommen würden.

In Deutschland haben dagegen Großverdiener mehr Abschreibemöglichkeiten als einkommensschwache Familien. Das ist ungerecht. Wenn wir über Geldleistungen sprechen, sind nicht Abschreibungsmodelle, sondern direkte Transferzahlungen das Gebot der Stunde.
Eine Subventionierung der Ehe mag in den 1950er Jahren einem gesellschaftlichen Grundkonsens entsprochen haben, heute entscheiden sich immer weniger Eltern für die Ehe. Jede vierte Familie kann überhaupt nicht auf Splitting-Vorteile hoffen, weil die Eltern nicht verheiratet sind.

Das vorgelegte Modell versucht sich in einem Spagat zwischen verfassungsrechtlichem Schutz der Ehe und einer besseren Familienförderung. Die Verbände schlagen einen übertragbaren Grundbetrag für Jeden vor. Jeder Ehepartner erhält einen Grundfreibetrag, der das Existenzminimum von der Einkommensteuer freistellt. Schöpft ein Partner den persönlichen Freibetrag nicht aus, kann er ihn auf den anderen übertragen. Die Ehe bliebe steuerlich privilegiert, allerdings würde der Vorteil künftig geringer ausfallen. Das gilt vor allem bei Einverdienst-Ehen mit hohem Einkommen. Dem Staat würde die Umstellung Steuermehreinnahmen von 7,5 bis 8 Milliarden Euro einbringen.

Warum der Spagat? Die Argumente gegen die Abschaffung des Ehegattensplittings sind bekannt: hohe Kosten und der verfassungsrechtliche Rang der Ehe. Im vorliegenden Modell wird der übertragbare Grundbetrag Verheiratete weiter privilegieren. Ich bin der Überzeugung, dass wir darüber hinausgehen und unsere Unterstützung auf das Vorhandensein von Kindern koppeln sollten.

Bleiben wir aber erst einmal bei dem Vorschlag. So, wie er auf dem Tisch liegt, ist er eine verkappte Reichensteuer, anstatt, wie die Überschrift des Antrags suggeriert, fehlgeleitete Finanzströme zu korrigieren. Die GRÜNEN wollen nicht länger, dass der Staat das Verheiratetsein zweier Erwachsener finanziell unterstützt, sondern er soll infrastrukturellen Defizite z.B. bei der Kinderbetreuung ausgleichen. Die freigesetzten Mittel mit der Abschaffung des Ehegattensplittings müssten aber eher für diese Kinder direkt wieder eingesetzt werden. Ansonsten werden mit den gesparten Milliarden andere Steuerlöcher gestopft. Damit würde eine große Chance vertan.

Ich plädiere für eine systemimmanente Lösung: also ungerechte Abschreibungsmodelle durch ein gerechteres Transfermodell zu ersetzen. Und das ist die Kindergeldlösung. Sie ist einfacher zu administrieren und leichter nachzurechnen als eine institutionelle Förderung, die der Bund an Länder und Kommunen weiterreicht. Wie solchen Lösungen Geld verloren gehen kann, erleben wir derzeit bei Hartz IV, wo Einsparungen der kommunalen Kinderbetreuung zu Gute kommen sollten. Auch zwei Jahre nach Gesetzesverabschiedung warten viele Kommunen immer noch auf ihr Geld. Der SSW setzt sich für direkte Kinderförderung ohne Umwege ein. Diese hilft allen Kindern, egal, ob die Eltern einen Steuerberater brauchen oder nicht; egal ob die Eltern verheiratet sind oder nicht. Kinderbetreuung und Bildung ist eine andere Baustelle. Und auch hier gilt es dann Prioritäten zu setzen. Auf jeden Fall müssen wir aber sicherstellen, dass die Einsparungen durch den Wegfall des alten Splitting-Modells nicht einfach in den Haushalt fließen, sondern gezielt für die Förderung von Familien mit Kindern ausgegeben werden.

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