Rede · 28.08.2019 Menschen mit einer psychischen Behinderung sollen genauso am Arbeitsleben teilhaben, wie andere

„Diese Gruppe ist nicht unbedeutend. Und das, was wir für sie fordern, ist kein Luxus.“

TOP 15 - Beschäftigungssituation von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen verbessern (Drs. 19/1506)

Zum Glück haben wir in Schleswig-Holstein eine recht gut ausgebaute soziale Infrastruktur. Über Sozialverträge und eine ganze Reihe von Einzel- und Projektzuschüssen stellen wir sicher, dass Menschen in Notsituationen geholfen wird. Gemeinsam mit Kommunen und anderen Trägern sorgen wir dafür, dass Menschen mit den unterschiedlichsten Bedarfen weitestgehend die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Kaum jemand stellt dieses System und diese Angebote in Frage. Das ist für mich zwar selbstverständlich - sollte hier aber trotzdem erwähnt werden.

Es kommt aber immer wieder vor, dass sich Betroffene an uns wenden, denen nicht oder zumindest nicht ausreichend geholfen wird. Wohnungslose oder hiervon bedrohte Menschen sind ein aktuelles Beispiel. Hier sind wir uns weitestgehend darüber einig, dass wir mehr tun müssen. Aber es gibt weitere Gruppen, die einen ungedeckten Bedarf an Hilfe und Unterstützung haben. Oftmals ist das aus Sicht des SSW berechtigt. Die Anliegen von Menschen mit dauerhaften psychischen Beeinträchtigungen zählen für uns klar dazu. Und deshalb setzen wir uns mit dem vorliegenden Antrag für sie ein.

Menschen mit psychischen Problemen oder Störungen, die über längere Zeit anhalten oder immer wieder auftreten, haben eine psychische Behinderung. Die Formen dieser Behinderung sind vielfältig: Oft sind damit Störungen der Selbst- und Fremdwahrnehmung, im Umgang mit Gefühlen oder mit der Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen verbunden. Vor allem in belastenden Situationen geraten diese Menschen schneller aus dem Gleichgewicht. Vielen fällt es schwer, ihre eigene Leistung richtig einzuschätzen, etwas zu fragen oder Hilfe zu verlangen. Dies führt dazu, dass sie sich schneller überfordert fühlen als Menschen ohne psychische Behinderungen. 

Wir wollen, dass auch diese Gruppe am Arbeitsleben teilhaben kann. Denn wenn man mit den Betroffenen spricht, wird eins deutlich: Die Angebote, die es für sie im Bereich Arbeit und Beschäftigung gibt, sind nicht bedarfsdeckend. Ein Grund hierfür ist, dass viele nicht - oder zumindest noch nicht - in der Lage sind, den Anforderungen einer Werkstatt für behinderte Menschen zu genügen. Mit An- und Abfahrt kommen hier schnell 10-Stunden-Tage zusammen. Menschen mit einer psychischen Behinderung sind damit aber oft überfordert. Sie brauchen andere Angebote, die räumlich und zeitlich flexibler sind, damit sie ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechend arbeiten können. 

Diese Angebote müssen wir nicht neu erfinden. Es gibt durchaus gelungene Beispiele für Beschäftigungsprojekte für diese Zielgruppe. Dazu gehört das Teilhabezentrum der AWO in Bredstedt mit Kunst-Ecke und Jobbörse, die „Alte Meierei“ in Plön oder der inklusive Sozialraumtreff „Eckhus“ in Husum. Hier ergeben sich Beschäftigungsangebote vor allem nach Interessenlage der Menschen mit Behinderung und nach den Bedarfen vor Ort. Eine Betroffene leitet beispielsweise einen Malkurs. Andere unterstützen Senioren beim Einkaufen. Diese Tätigkeiten sind vor allem für die Beschäftigten selbst unheimlich wertvoll. 
Deshalb wollen wir, dass es in Zukunft mehr von diesen Möglichkeiten gibt. Und zwar niedrigschwellig, auf vertraglicher Grundlage oder auch ohne im Rahmen sozialräumlicher Ansätze. Und vor allem mit einer jeweils entsprechenden Entlohnung. Menschen mit einer psychischen Behinderung sollen genauso am Arbeitsleben teilhaben, wie andere. Dazu gehört, dass sie selbstverständlich für ihre Arbeit entlohnt werden. Auch und gerade, wenn sie an Arbeitstrainingsmaßnahmen mit noch so geringem Umfang teilnehmen. Deshalb fordern wir, dass die Teilnahme zukünftig wieder durch ein Therapie- oder Motivationsgeld anerkannt wird.

Ab Januar 2020 wird die Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen der Eingliederungshilfe abschließend in Paragraph 111 SGB 9 geregelt. Die von uns geforderten Zuverdienstmöglichkeiten mit bis zu 15 Stunden wöchentlich sind vom offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe umfasst und damit weiterhin förderfähig. In Bayern gibt es zum Beispiel an die 2000 solcher Zuverdienstplätze. In Schleswig-Holstein ist es vielleicht eine Handvoll. Wenn wirklich alle Betroffenen ein Angebot bekommen sollen, muss das Land diese Maßnahmen also gemeinsam mit den Kreisen als Träger der Eingliederungshilfe ausbauen.

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