Rede · 19.02.2014 NS-Altlast endlich abwerfen

Mord. Totschlag. Ausgerechnet die schwersten Strafvorschriften wollen nicht recht ins sonstige System des Strafgesetzbuches passen. Eine Säule unseres demokratischen Rechtsstaats scheint irgendwie schief zu sein. Wie kann das sein?
In der März-Sitzung des Bundesrates wird Schleswig-Holstein eine sprachliche Überarbeitung zu den Paragrafen 211 und 212 des Strafgesetzbuchs einbringen. Diese Maßnahme hat Ministerin Spoorendonk schon im Herbst letzten Jahres bekannt gemacht. Die ersten Reaktionen waren eher verhalten. Nun hat sich eine bundesweite Debatte angeschlossen und so langsam mehrt sich der Zuspruch. Und nun prüft das Bundesjustizministerium, ob eine Überarbeitung angebracht ist. Es geht dabei in erster Linie um eine rein sprachliche Korrektur – das möchten wir von der SSW-Landtagsgruppe unterstreichen. Deswegen ist diese Initiative aus unserer Sicht auch nicht weniger Wert, sondern sie steht für sich. Wir sind der Meinung, dass man eine Inhaltliche, von einer sprachlichen Überarbeitung, sehr wohl auch trennen kann. In Bayern hat man da offensichtlich eine andere Haltung. Wir vom SSW im Landtag begrüßen die Initiative von Ministerin Spoorendonk voll und ganz. Nun wird das dunkelste Kapitel der deutschen Justizgeschichte aufgeschlagen und angegangen. Die Definitionen in den genannten Paragrafen wurden 1941 eingefügt. Federführend war damals Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofs, dem höchsten Gericht des NS-Unrechts-Staates. In unzähligen Schauprozessen, machte er sich – ich zitiere aus einem ihm gegoltenen Nachruf vom Februar 1945: ,,[zum] Vorkämpfer für die Neuregelung unseres Rechts.“ Unter seiner Leitung wurde der Volksgerichtshof zu einer wahren Vernichtungsmaschine und er schuf durch Rechtsetzung Unrecht.
Im Zentrum der Definition von 1941 steht nicht die Frage nach der Tat, sondern der Täter steht primär im Fokus. Ein so-genannter Tätertyp, der ausschließlich biologisch gedeutet wird. Man wollte damit die Darstellung eines Menschen, der als »Mörder« galt, nicht nur anschaulich, sondern auch für das ganze Volk im Sinne der NS-Ideologie verständlich machen. Freisler selbst lobte die vermeintliche Flexibilität sowie die neu gewonnenen Handlungsspielräume, die nach diesen Vorschriften für die entsprechenden Richter geschaffen wurden. Denn ein Mörder ist demnach, "wer aus Mordlust, zu Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet". Des Totschlags ist hingegen jemand schuldig, der "einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein".
Für uns vom SSW ist es wichtig, dass wir uns von einem solchen Gedankengut ganz klar distanzieren! Diese Sichtweise ist nicht nur menschenverachtend, sondern für uns als Demokraten schlicht weg unerträglich! In einem Gesetzestext haben Formulierungen wie „Der Mörder…“ oder ,,Mörder ist, wer…“ absolut nichts zu suchen. Es ist an der Zeit, dies zu ändern. Viel zu lange hat man sich nicht getraut, dieses Kapitel aufzuschlagen. Es ist gut, dass die Initiative zur Umformulierung von unserer Ministerin aus Schleswig-Holstein kommt. Die NS-Altlast im Strafgesetzbuch müssen wir endlich abwerfen.

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