Rede · 30.04.2004 Psychosoziale Beratung von HIV-Positiven in Flensburg

Das Problem HIV und AIDS hat sich im letzten Jahrzehnt qualitativ gewandelt. Durch die Fortschritte der Medizin konnte eine andere Lebensqualität mit dem HI-Virus erreicht werden; die Zahl der Todesfälle ist zurückgegangen. Das hat aber weder den Bedarf an Prävention noch den an Beratung von HIV-Positiven und AIDS-Kranken grundlegend geändert. Im Gegen­teil: Die Zahl der Neuinfektionen mit der nach wie vor tödlichen Krankheit ist gleich geblie­ben und bei manchen Gruppen sogar steigend.

Vor diesem Hintergrund bedauern wir, dass das Land sich Anfang des Jahres aus der Förde­rung der Prävention und der psychosozialen Beratung für HIV-Positive in Flensburg vollständig zurückziehen musste. Die Ursache hierfür liegt nicht beim Land, sondern in möglichen finanziellen Unregelmäßigkeiten beim bisherigen Träger, der „AIDS-Hilfe Flensburg e. V.“.

Es kann aber keinen Zweifel geben, dass diese Hilfen in Flensburg nach wie vor benötigt werden. Zwar gibt es dort auch andere Angebote, aber die Prävention und die psycho­soziale Beratung lassen sich nicht durch medizinische HIV-Sprechstunden oder durch Selbst­hilfegruppen ersetzen. Insbesondere HIV-positive Menschen, die nicht so stark in unsere Gesellschaft integriert sind, benötigen eine starke Unter­stützung durch auf­su­chen­de, professionelle Sozialarbeit.

Die Stadt Flensburg hat sich deshalb schnell auf die Suche nach einer neuen Lösung gemacht. Man hat sich nach einen freien Träger umgesehen, der diese Aufgabe zuver­lässig erfüllen kann, ohne dass die Probleme der Vergangenheit wieder ent­stehen. Dabei sind mit mindestens einem etablierten Wohlfahrts­verband Gespräche über die Übernahme der Trägerschaft geführt worden.

Die Landesregierung ist aber ihrerseits einen anderen Weg gegangen und beabsichtigt leider, sich teilweise aus der Verantwortung zurückzuziehen. Zukünftig will das Ministerium einen Ersatz für die Aids-Hilfe Flensburg nur noch mit 33.000 Euro jährlich fördern, obwohl im Haushaltsjahr 2004 eine Förderung von Prä­vention und Beratung in Flensburg mit 54.120 Euro vorgese­hen ist. Diese außer­planmäßige Kürzung um 40 Prozent ist nicht akzeptabel.

Das Sozialministerium hat zudem zur Bedingung für die Fortsetzung der Lan­des­­förde­rung ge­macht, dass die Primärprävention zukünftig durch die Landes­vereinigung für Gesund­heits­förderung übernommen wird. Diese Präven­tionsarbeit soll mit rund 23.000 Euro gefördert werden. Dagegen haben weder die Stadt noch wir grundsätz­lich etwas einzu­wen­den. Problematisch ist aber die Entscheidung des Minis­teriums, zukünftig keine risiko­gruppenbezogene Prävention und keine psycho­soziale Beratung in Flensburg mehr zu fördern. Das Ministerium will lediglich der Stadt Flensburg jährlich 10.000 Euro für die regionale Koordinierung der Primärprävention geben. Dieser Zuschuss soll dabei mit der Bedin­gung verknüpft werden, dass die Stadt Flensburg selbst die Trägerschaft und Finanzierung für eine neue psychosoziale Beratung übernimmt.

Wir halten diese Vorgehensweise aus mehreren Gründen für falsch:

1. Der Sozialausschuss der Stadt Flensburg hat einstimmig erklärt, dass man vor Ort eine Lösung möchte, bei der ein freier Träger die psychosoziale Beratung übernimmt. Die Stadt stellt dafür ihren bisherigen Zuschuss für die AIDS-Hilfe in Höhe von 33.700 Euro zur Verfügung und erwartet, dass das Land sein Engagement eben­falls nicht kürzt.

2. Wir haben in Schleswig-Holstein gute Erfahrungen mit freien Trägern in der AIDS-Hilfe gemacht. Die freie Trägerschaft hat sich bewährt und darf eben so wenig wie die Förderung grundsätzlich in Frage gestellt wer­den. Bei der AIDS-Hilfe Flensburg geht es um mögliche Verfehlungen bei einem Verein, die Gegen­stand staatsanwalt­schaft­licher Ermittlungen sind. Dafür dürfen weder die HIV-Positiven in Flensburg noch andere freie Träger bestraft werden.

3. Die am 19. April 2004 erschienenen Förderrichtlinien des Landes für Maßnahmen gegen HIV/AIDS sehen ausschließlich freie Träger als Zuwendungsempfänger der Landes­förderung vor. Deshalb ist es unverständlich, warum eine städtische Träger­schaft der psychosozialen Beratung in Flensburg gefordert wird.

Aus diesen Gründen fordern wir: Die Landes­regierung muss die vorgese­henen Förder­mittel von rund 54.000 Euro jährlich in vollem Umfang zur Verfügung stellen – in 2004 anteilig für die verbliebenen Monate. Das Land muss die Stadt Flensburg darin unterstüt­zen, mit einem freien Träger ein neues niedrigschwel­liges Beratungsan­gebot in Flensburg aufzubauen – ein Angebot, das selbst­verständ­lich mit den übrigen Hilfen für HIV-Positive und -Gefährdete in Flensburg eng zu­sammenarbeiten muss. Das Sozial­ministerium muss sich in diesem Sinne schnell mit der Stadt Flensburg verständigen, damit die seit Monaten klaffende Versor­gungs­lücke späte­stens zum Juni 2004 ge­schlos­sen wird.

Wir haben uns natürlich darüber gefreut, dass die Regierungsfraktionen bereit waren, einen gemeinsamen Antrag im Sinne unseres ursprünglichen SSW-Antrags mit zu tragen. Und wir hoffen, dass – ebenso wie in Flensburg – alle Fraktionen diesen Antrag unterstützen werden.

Wir werden jetzt gemeinsam darauf achten, dass im Interesse der betroffenen HIV-Positiven und -Gefährdeten bald wieder ein gutes psychosoziales Beratungsangebot im Norden zur Verfügung steht.

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