Rede · 21.03.2002 Schwellenwerte für Produkte aus gentechnisch veränderten Pflanzen

Produkte aus gentechnisch veränderten Pflanzen sind teilweise schon Realität für uns und wir müssen uns intensiv damit befassen, wie wir es schaffen können, dass der mündige Verbraucher in die Lage versetzt wird, nach seinen eigenen Kriterien seine Waren auszusuchen. Dazu zählt auch das Kriterium „Gentechnisch verändert: Ja oder Nein“.
Die Debatte um die Gentechnik ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Was wir allerdings jetzt schon feststellen können ist, dass die Gentechnik schon längst da ist und wir immer noch tief in den Diskussionen darüber stecken. Dies soll kein Vorwurf sein. Ich stelle nur fest, dass der Diskussionsprozess in seiner Geschwindigkeit nicht mit der Entwicklung der Gentechnik mithalten kann. Ob ich das gut finde oder nicht, ist nicht die Frage, sondern die Frage ist: Wenn ich dieses feststelle, was soll ich dann noch tun?

Ich kann zumindest mir darüber Gedanken machen, wie ich es ermögliche, dass jeder Mensch zumindest für sich selbst entscheiden kann, wie er im konkreten Einzelfall zur Nutzung der Gentechnik steht. Will ich Gen-Medikamente und will ich gentechnisch veränderte Lebensmittel?
Voraussetzung um Konsequenzen aus diesen Fragestellungen zu ziehen wäre, dass man eine durchgehende Kennzeichnungspflicht von gentechnisch behandelten Produkten aller Art einführt. Und hier genau liegt das Problem. Wir können nämlich nur sagen, ob gentechnisch veränderte Substanzen Bestandteil eines Produkts sind oder nicht. Über die Menge der gentechnisch veränderten Substanzen im Produkt können wir derzeit kaum etwas aussagen.

Wie überall im Leben gibt es auch in der Gentechnik einen Unterschied zwischen 99% und 1%. Nehmen wir zum Beispiel ein Lebensmittel in dem sich gentechnisch veränderte Materialien finden. Diese Materialien können auf zwei Wegen in das Lebensmittel gelangen. Entweder bewusst im Produktionsprozess oder aber unbewusst durch natürliche Prozesse im Freiland. Inzwischen ist es nicht mehr auszuschließen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen sich mit natürlichen Pflanzen kreuzen und so ihre Merkmale weitergeben. Man kann davon ausgehen, dass Pflanzen, die so entstehen, einen sehr geringen Anteil an gentechnisch verändertem Material haben.
Ein Produzent, dem eine solche Kreuzung passiert, wird erhebliche wirtschaftliche Probleme bekommen, wenn er sich bisher gegen gentechnische Produktionsweisen entschieden und entsprechendes Marketing betrieben hat, denn seine Produkte können mit einmal als gentechnisch verändert dastehen. Es gibt zur Zeit nur ein Ja oder ein Nein. Abstufungen sind derzeit noch nicht möglich.

Es ist der Gentechnik noch nicht gelungen, die genaue Menge des gentechnisch veränderten Materials nachweisen zu können. Das bedeutet, das es zwar einen Unterschied zwischen 99% und 1 % gibt, man ihn aber nicht nachweisen kann. Somit gilt erst einmal alles als gentechnisch verändert.
Man arbeitet sich nun an die Grenzen heran und versucht, immer kleinere Mengen nachweisen zu können. Gerade die Firma MED-Biotech in Flensburg hat hierzu wichtige Vorarbeiten geleistet. Und ich glaube, es besteht die Chance hier weitere wichtige Schritte gehen zu können. Dazu bedarf es allerdings eines entsprechenden Anreizes.

Wenn wir jetzt fordern würden, die Schwellenwerte für eine Kennzeichnungspflicht auf einen höheren Wert anzusetzen, wie es die CDU wünscht, würde gerade dieser Anreiz zur Forschung entfallen. Deshalb sind wir der Meinung, dass ein Schwellenwert von unter 1 % sehr wichtig ist, um die Forschung anzuregen und die Verbraucher zu schützen.
Die Verbraucher sollen die Chance haben, wirklich gentechnikfreie Ware kaufen zu können. Bei Werten unter 1 % kann man nach meinem Erachten von Gentechnikfreiheit sprechen. Werte die unter dieser Grenze liegen, unterliegen auch einer gewissen Zufälligkeit von natürlichen Prozessen, die ich vorhin beschrieben habe.
Der Verbraucher muss aber in die Lage versetzt werden, wirklich wählen zu können, welche Ware er haben will. Dies ist für mich, um es noch einmal deutlich zu sagen, auch schon eine Notlösung. Menschen der Gentechnik auszusetzen, ohne dass das Thema auch nur annähernd gesellschaftlich zu Ende diskutiert ist, ist eigentlich nicht zu verantworten. Gleichwohl muss ich leider feststellen, dass die Gentechnik schon längst da ist und ich dann zumindest verpflichtet bin, für den mündigen Verbraucher vernünftige Rahmenbedingungen zu setzen.

Die EU-Mühlen mahlen genauso langsam wie die unsrigen. Die Kennzeichnungsverordnung wird auch noch etwas länger beraten werden, so dass genügend Zeit bleibt, zu forschen. Und ich bin sicher, dass die entsprechenden Nachweismöglichkeiten kommen werden.
Den zweiten Teil des CDU-Antrags können wir gut mittragen. Um hier aber zur Forschung zu motivieren ist es wichtig, schon jetzt deutlich zu machen, dass die 1-%-Grenze kommen wird und davon dürfen wir, auch zum Wohle der Verbraucher, nicht abrücken.

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