Rede · 15.05.2002 Sparkassengesetz

Schon seit dem 21. Dezember 1999 - seit dem Tag, als die Europäische Bankenvereinigung bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde einlegte - schwebt ein Damokles-Schwert über dem System der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Deutschland. Die Privatbanken Europas vertreten die Auffassung, dass das typische Haftungssystem für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute - nämlich das, was in technischen Termen mit Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bezeichnet wird – quasi als versteckte staatliche Beihilfe anzusehen ist und somit mit den Beihilferegelungen des EG-Vertrages nicht in Einklang zu bringen sei. Denn die Haftung der Träger – also der Länder und Kommunen - erhöht die Kreditwürdigkeit dieser Kreditinstitute und verbessert somit ihre Finanzie-rungsbedingungen. - Was an sich ja korrekt ist; nur haben diese eben noch andere Aufgaben als die Privatbanken und somit relativiert sich der mögliche Wettbewerbsvorteil.

Zum Entsetzen der Bundesregierung, der Länder, Kommunen und Sparkassenorganisationen schloss sich die EU-Kommission der Auffassung der europäischen Privatbanken an und bezeichnete dieses ureigenste deutsche System als unlauteren Wettbewerb. Trotz überzeugender Argumentation der deutschen Seite, die immer wieder auf die Besonderheiten unseres öffentlich-rechtlichen Sparkassensystems hinwies – nämlich die Verpflichtung, eine flächendeckende Versorgung aller Bevölkerungsteile und Unternehmen mit Geld und Krediten zu gewährleistet - drohte Brüssel mit harten Sanktionen, wenn keine Änderungen vorgenommen würden.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sich sowohl die Bundesregierung und die Länder als auch die Sparkassen und kommunalen Träger darauf verständigten, einen gemeinsamen Lösungsweg mit der Kommission zu finden. Man befürchtete langwierige und schädliche Rechtstreitigkeiten mit der EU. Am 17. Juli 2001 hat man sich dann mit der EU-Kommission über die zukünftigen Haftungsgrundlagen der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute verständigt.

Bei aller Akzeptanz des erreichten Kompromisses bleibt der bittere Nachgeschmack, dass sich die Privatbanken auf ganzer Linie durchgesetzt haben. Die Gewährträgerhaftung und eigentlich auch die Anstaltslast werden vollständig abgeschafft. Statt einer Übergangsregelung bis 2010 - wie vom Sparkassen- und Giroverband gefordert - ist die Übergangszeit auf vier Jahre bis zum 18. Juli 2005 begrenzt worden. Realistisch bedeutet dies das Ende des öffentlich-rechtlichen Sparkassensystems.

Ich will nicht verhehlen, dass der SSW diese Entwicklung bedauert. Bisher standen die öffentlich-rechtlichen Landesbanken als Garant dafür, dass unsere Sparkassen im Sinne ihres öffentlich-rechtlichen Auftrages agieren konnten – ein Auftrag, der eben mehr war als nur Gewinnerzielung, sondern auch die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung und die Gewährung günstiger Kredite an kleine und mittlere Unternehmen umfasste. Und wir wissen, dass der Mittelstand auch so schon große Probleme mit der Kreditversorgung hat. Der Verband der Steuerberater in Schleswig-Holstein hat gerade vor dem Hintergrund der Einführung von Basel II gefordert, dass entgegen allen Privatisierungsbestrebungen der öffentliche Bereich gestärkt werden müsste, um die Kreditversorgung des Mittelstandes zu sichern. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Entwicklung seit Juli 2001 zeigt, dass sich große Veränderungen im Landesbank- und Sparkassenbereich andeuten. Viele Sparkassen fusionieren bereits, und alle Landesbanken überlegen, mit welchen Modellen sie nach 2005 ihr wirtschaftliches Überleben sichern können.

Diese Überlegungen will ich gar nicht kritisieren, denn die Landesbanken haben sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen. Bisher haben ihnen die öffentlichen Haftungszusagen Spitzenbewertungen bei der Feststellung ihrer Kreditwürdigkeit durch Rating-Agenturen gesichert - und damit günstige Refinanzierungsmöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt. Ab 2005 werden die Lan-desbanken wie ganz normale Privatbanken beurteilt werden. Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Landesbanken also künftig höhere Gewinne erwirtschaften und somit lohnt sich ein Teil der bisherigen Geschäfte der Landesbanken nicht mehr. Man kann an drei Fingern abzählen, welche Geschäfte das sein werden.

Es herrscht in allen Bundesländern hektische Aktivität wegen der notwendigen Neustrukturierung der Landesbanken. Dabei entwickelt fast jedes Bundesland sein eigenes Modell. Auch in Schleswig-Holstein sind die Überlegungen zur Neustrukturierung schon weit vorangekommen. Dabei stimmt der SSW mit der Landesregierung darin überein, dass es darum geht, das Beste aus den schwierigen Rahmenbedingungen für die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute und für das Land herauszuholen.

Die Landesregierung befürwortet eine Fusion der LB Kiel mit der Hamburgerischen Landesbank. Um die Voraussetzung für so eine Fusion zu schaffen, will die Landesregierung zum einen die Investitionsbank mit den vielen Landesförderprogrammen aus der Landesbank heraustrennen und zum anderen wird eine Veränderung der Anteilseignerstruktur bei der Landesbank erwogen. Es gilt, die Landesbank fit für die Wettbewerbssituation nach 2005 zu machen.

Der heutige Gesetzentwurf der Landesregierung schafft die Voraussetzungen dafür, dass Gewährträgerhaftung und Anstaltslast zum verbindlichen Termin am 18.Juli 2005 abgeschafft werden kön-nen. Gleichzeitig will die Landesregierung Regelungen einführen, die es ermöglichen, künftig Stammkapitalanteile auch an juristische Personen des Privatrechts zu übertragen, um Dritten die Möglichkeit zu geben, bis zu fünf Prozent Anteile des Stammkapitals der Landesbank zu erwerben. Dazu werden die Aufgaben der Sparkassen neuformuliert. Eventuell weitergehende Änderungen, die sich auf grund der veränderten Haftungsbedingungen für die Sparkassen und die Landesbank ergeben - einschließlich der Heraustrennung der Investitionsbank aus der Landesbank - sind für eine spätere Änderung des Sparkassengesetzes vorgesehen.

Zwei Punkte sind uns wichtig in Bezug auf den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung: Zum einen sehen wir sehr wohl die Problematik, die sich daraus ergeben könnte, dass der Finanz-minister bereits im nächsten Haushaltsjahr die Einnahmen aus einem Verkauf von 5% der Anteile an der Landesbank mit einplanen möchte. Der strategische Ansatz dieser Entscheidung darf aber nicht dazu führen, dass das Land seine Position bei einer zukünftigen Fusion schwächt oder sogar durch einen zu frühen Verkauf langfristig höhere Einnahmemöglichkeiten verliert. Aber wir sehen natürlich auch die Schwierigkeit des Finanzministers, 2003 einen ausgeglichenen Haushalt vorzu-legen. Dennoch muss dieser Punkt in der weiteren Ausschussberatung eine zentrale Rolle spielen.

Zum anderen sollten wir ernsthaft überlegen, einen Vorschlag des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages in das neue Sparkassengesetz aufzunehmen. In Sorge um die zukünftige Ortsnahe Versorgung der Bevölkerung mit Geld und Krediten, schlägt der SHGT analog zu einem Paragraphen im Postgesetz vor, konkrete Übergangsbestimmungen in Paragraph 2 des Sparkassengesetzes für den Infrastrukturauftrag der Sparkassen einzuführen.

So sollen beispielsweise nach dem Vorschlag des SHGT zur „ausreichenden Versorgung aller Bevölkerungskreise und insbesondere des Mittelstandes bis zum 31.12.2007 flächendeckend Filialen unterhalten werden, die für eine Versorgung von jeweils 10.000 Einwohnern in der Umgebung notwendig sind.“ Ich weiß nicht, ob die Umsetzung dieses Vorschlages juristisch haltbar ist, aber wir sollten ihn ohne Scheuklappen prüfen. Was nach der Privatisierung der Post in das Postgesetz aufgenommen wurde, müsste auch bei der Umwandlung der Sparkassen möglich sein.

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