Rede · 10.10.2014 Weitere Abkommen ja - aber ohne Absenkung von Standards

Seit der Gründung der ersten Frauenhäuser vor fast 40 Jahren hat sich enorm viel bewegt. Frauenhäuser bieten Beratung, Unterkunft und psychische Unterstützung für Gewaltopfer; sie eröffnen darüber hinaus in vielen Fällen neue berufliche Alternativen. In der Gesellschaft hat sich das Bewusstsein durchgesetzt, dass Gewalt in der Familie ein enormes Problem ist und eine gesellschaftliche Aufgabe. Die Bundespolitik hat diese Entwicklung allerdings nur sehr zögerlich nachvollzogen. Wie zögerlich, kann man unter anderen daran ablesen, dass im Sommer 2012 erstmals eine Bundesregierung überhaupt einen Bericht zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder vorgelegt hat. In diesem längst überfälligen Bericht stellt die Bundesregierung fest, dass Gewalt gegen Frauen alle Regionen Deutschlands und alle sozialen Schichten betrifft. 

 

Dieser Bericht war eine wichtige Etappe im Engagement gegen häusliche Gewalt. Die Bundesregierung hat damit anerkannt, dass nicht nur Kommunen und Länder allein für die Zuflucht der Gewaltopfer zuständig sind, sondern dass auch der Bund in der Pflicht ist. Das gilt für entsprechende gesetzliche Grundlage, aber auch für die Koordinierung; besonders dann, wenn es um zwei Bundesländer geht. So wie niedersächsische Frauen in Bremen Zuflucht suchen, tun das auch Mecklenburgische in Schleswig-Holstein oder Hamburg. Das hat manchmal ganz profane Gründe, wie eine fehlende Kinderbetreuung oder zu wenig Plätze in einem Haus. Manchmal wollen die Frauen sich aber auch einfach so weit wie möglich weg von ihrem Peiniger in Sicherheit bringen. 

 


 

Dann beginnen für viele Frauenhäuser allerdings bürokratische Hürdenläufe, denn die Finanzierung der Angebote für Frauen aus anderen Bundesländern ist unglaublich kompliziert. Der dadurch entstehende Verwaltungsaufwand blockiert Kapazitäten, die besser der Beratung und Betreuung der Gewaltopfer zugutekommen sollten. Tatsächlich ist es so, dass die Frauenhäuser den Verwaltungsaufwand durch Selbstausbeutung der Beschäftigten stemmen. Keine Frau wird abgewiesen. Schließlich ist jede Frau, die mit ihren Kindern an der Hand in einem Frauenhaus um Zuflucht bittet, in einer existentiellen Notsituation. Sie kann man nicht in die Warteschleife legen. Das Frauenhaus versucht daher erst nach der Aufnahme für die betroffenen Frauen finanziell tragfähige Lösungen zu finden. Die Bundesregierung schreibt dazu folgerichtig: „Das gelingt nicht immer, in solchen Fällen tragen die Einrichtungen das Risiko fehlender Refinanzierung.“ (BT Drucksache 17/10500, S. 18)

 


 

Zumindest zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg konnte zwischenzeitlich eine Lösung gefunden werden. Wir haben von dem neuartigen Verwaltungsabkommen mehrmals gehört. Die Arbeit der Frauenhäuser wird damit enorm erleichtert. Diesen Weg sollten wir natürlich weiterführen. 

 


 

Die Bundesregierung berichtet von mosaikartigem Charakter der Rechtsgrundlagen. Tatsächlich haben wir es eben gerade nicht mit einem Gesamtbild zutun, das sich aus vielen kleinen Steinchen zusammensetzt. Die Frauenhäuser sind eher wie kleine Halligen. Da konnte es schnell mal zu Land unter kommen. Dem haben wir jetzt einen wirkungsvollen Riegel vorgeschoben. Doch weitere bilaterale Verwaltungsabkommen stehen an, die Schleswig-Holstein mit den anderen norddeutschen Ländern schließen müsste. Darum liegt die Idee einer Ausgleichsregelung nahe. Die würde den Frauenhäusern und damit auch den betroffenen Frauen unmittelbar zugutekommen. 

 


 

Ich warne allerdings an dieser Stelle von einem Ausgleich nach unten. Die eingeführten Standards müssen dauerhaft gesichert werden. Darum unser Änderungsantrag. Ansonsten wird sich die Versorgungssituation der Gewaltopfer zukünftig verschlechtern; das kennen wir aus anderen Bereichen, dass im Sinne einer Harmonisierung die Standards gesenkt werden. Das wird es mit uns nicht geben. 

 


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