Rede · 28.09.2018 Wir wollen gelebte Demokratie lehren
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 26 - Demokratiebildung stärken
„Wir müssen Demokratie erklären, reflektieren, verbessern und vor allem zum Mitmischen ermutigen.“
Demokratie und Bildung. Wie Sie wissen zwei SSW-Lieblingsthemen.
Zu Demokratiebildung gehört für uns in hohem Maße gelebte Demokratie und Teilhabe an Entscheidungsprozessen. Und das fängt schon mit der frühkindlichen Partizipation an.
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz ist da ja auch ganz eindeutig formuliert.
"Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen." Hier gibt es keinerlei Altersbegrenzungen, also gilt das auch uneingeschränkt für Kindertageseinrichtungen.
Kinder sollen hier lernen, eine eigene Haltung zu entwickeln. Wir wollen mündige Kinder. Sie sollen sich damit auseinandersetzen und Einfluss darauf haben, was ihren Alltag in der Kindertagesstätte ausmacht. Was gibt es zu essen, wie werden die Spielzeiten im Sandkasten geregelt und wie gehen wir miteinander um.
Nicht zuletzt: wie streiten wir politisch.
Wie wir es, dieses Beispiel liegt nahe, an diesem Ort immer wieder selbst erleben, ist es wichtig, auch in der Meinungsverschiedenheit konstruktiv im Umgang zu bleiben. Einander zuhören, Kompromisse eingehen, sich überzeugen lassen oder eben auch nicht, für die eigene Sichtweise einstehen und es aushalten können, keine Zustimmung zu bekommen.
Deswegen freue ich mich auf das Jahr 2019 als „Jahr der politischen Bildung“.
Und das ist kein Vorhaben, das den jungen Leuten ungewollt übergestülpt wird, das ist besonders zu betonen. Sie fordern es selbst.
Der Junge Rat der Stadt Kiel setzt sich für den verpflichtenden WiPo-Unterricht an allen weiterführenden Schulen bis zum Ende der Mittelstufe ein.
Und auch die Landesschülervertretung wünscht sich insgesamt mehr Politik in der Schule, aber im speziellen auch Wirtschaft und Politik als verpflichtendes Fach ab der siebten Klasse. Und zwar nicht als Fach „Weltkunde“, das Geographie, Geschichte und Wirtschaft/Politik vereint, sondern ausdifferenziert in unterschiedliche Stunden, die Raum für die Vertiefung in die verschiedenen Bereiche bieten.
Wir vom SSW unterstützen diesen Hinweis, er leuchtet ein. Unsere jetzigen Lehramtsstudierenden bringen in Regelstudienzeit mindestens 12 Semester damit zu, die unterschiedlichen Studienfächer für sich zu studieren, und eignen sich so viel Wissen an, dass es sich lohnt, dieses auch ausdifferenziert in eigenständige Fächer an die Schülerinnen und Schüler weiterzuvermitteln.
Dabei ist ein Problem leider jetzt schon zu sehen, uns fehlen die Lehrkräfte für den WiPo-Unterricht. Aus Sicht des SSW sollte deswegen das Fach Wirtschaft/Politik, wie wir es kürzlich auch für den Informatikunterricht beschlossen haben, bis zum 01.02.2019 als Mangelfach eingeordnet werden.
Es ist genau der richtige Weg, regionale Verbände und Vereine und Gedenkstätten hier mit ins Boot zu nehmen und natürlich auch unseren Landesbeauftragten für politische Bildung fest einzubinden, der mit seinem Team eine wirklich hervorragende Arbeit leistet.
Wie müssen aber auch an diejenigen denken, die wir im schulischen Bildungssystem nicht mehr erreichen. Dann wird Demokratiebildung auch eine Sache der Weiterbildung. Für das lebenslange Lernen muss die Weiterbildung endlich als gleichberechtigte Säule des Bildungssystems gewertschätzt werden, wir brauchen hier wirklich einen Bewusstseinswandel.
Diese Maßnahmen sollen dazu führen, Demokratiefeindlichkeit gar nicht erst gedeihen zu lassen. Wir müssen Demokratie erklären, reflektieren, verbessern und vor allem zum Mitmischen ermutigen. Denn, wie wir ja auch gestern wieder exemplarisch vernehmen konnten, auch das erfolgreiche Durchlaufen des Bildungssystems bis zum akademischen Abschluss bewahrt uns nicht vor demokratiefeindlichen Aussagen. Es muss eben auch um Wertevermittlung gehen. Um Freiheit und um Toleranz, um das Einhalten von Menschenrechten und das unglaubliche Glück, das wir haben, dass wir in diesem Land friedlich miteinander zusammenleben.